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Medien: „Das war Mobbing“

Heute geht Jochen Senf ins „Tatort“-Finale – nach 18 Jahren als Kommissar Max Palu. Es ist ein Ende mit Schrecken

Herr Senf, was ist eigentlich los mit Ihnen?

Was soll mit mir los sein? Mir geht’s gut.

Sie scheinen uns ein wenig außer Rand und Band geraten, nach ihrem unfreiwilligen Abschied vom „Tatort“.

Ich bin keineswegs außer Rand und Band. Ich war noch nie so bei mir wie zurzeit. Aber wenn elementare Regeln verletzt werden, dann wehre ich mich und gehe auch mal aufs Ganze. Basta.

Sie werden mit den Worten zitiert, vom Saarländischen Rundfunk „schäbig und unprofessionell“ behandelt worden zu sein. Sie seien „grundlos und geradezu fristlos gefeuert“ worden.

Stimmt alles. Auch wenn ich nur ein freier Mitarbeiter war. Aber wenn Sie ohne Vorwarnung und ohne Begründung abserviert werden, dann nenne ich das eine fristlose Kündigung. Aber ich will mit niemandem abrechnen, ich verteidige nur meine Urheberrechte am Drehbuch für diesen „Tatort“, und ich wehre mich gegen hybride Einfältigkeit.

Die ganze Geschichte liegt doch schon ein ganzes Jahr zurück. Warum erst jetzt die Aufregung?

Das ist nicht ganz richtig. Vor einem Jahr hat mir die damals neu bestallte, von jeder Kompetenz verschonte Redakteurin am Telefon gesagt: „Ich will einen neuen Kommissar.“ Da schwang mit: sofort! Bis heute habe ich keine Begründung erhalten, warum ich knallfall abserviert wurde. Tatsache ist, dass die letzten fünf „Tatorte“ des SR ohne eine funktionierende Fernsehspielredaktion produziert wurden. Es gab keinen Dramaturgen, keinen Fernsehspielchef. Es herrschte ein Riesenvakuum. Das Kuriose ist, dass beim SR „Tatorte“ entstanden, obwohl es gar keine Redaktion gab.

Keine Kontrolle, nirgends?

So ist es. Ich war der letzte Mohikaner. Den „Tatort“, der heute läuft, habe ich geschrieben, ebenso den vorletzten. Insgesamt die letzten fünf SR-„Tatorte“ habe ich betreut. Und dann diese Kündigung! Der Programmdirektor hat das redaktionelle Vakuum, für das er verantwortlich ist, schlichtweg verdrängt. Ich habe ihm geraten, seiner Wahrnehmungsdefizite wegen einen Psychiater aufzusuchen. Dieser Programmförderungsmaßnahme ist er leider nicht gefolgt.

Klingt nach hartem Arbeitskampf.

Das war Mobbing

War es nicht ohnehin Zeit für einen Abschied von Kommissar Palu?

Der Ansicht kann man sein. Aber doch nicht so. Wenn man zu mir gesagt hätte, Herr Senf, wie stellen Sie sich einen Abschied vor, dann hätte ich geantwortet, okay, lass uns noch zwei „Tatorte“ machen und einen Nachfolger einführen. Das wäre elegant gewesen.

Sie wären also bereit gewesen abzutreten?

Aber klar.

Sind Sie dem SR nicht auch dankbar für 18 Jahre „Tatort“?

Sicher. Und noch für vieles andere. Ich habe dort unendlich viel lernen dürfen. Ich bin ja nicht nur Schauspieler. Ich war Dramaturg beim SR, zuständig für Fernsehspiel und dann für Hörspiel. Der SR war in den sechziger und siebziger Jahren eine wahre Kreativschule.

Und heute?

Heute hat das neo-liberale Denken auch das Fernsehen fest im Griff.

Auch Ihren Max Palu?

Wir haben uns immer darum bemüht, einigermaßen sozialkritisch zu sein. Aber wenn eine Serie wie „Verliebt in Berlin“ mit Preisen überschüttet wird, dann ist das ein Zeichen dafür, dass wir in anderen Zeiten leben. Werbung und Fernsehen nähern sich immer mehr an. Da musste es zu Überschneidungen kommen.

Sie meinen Schleichwerbung. Haben auch Sie gefehlt?

Wenn ARD-Großintendanten äußern, nichts davon gewusst zu haben, ist das merkwürdig. Ich fühle mich von denen im Stich gelassen. Als Schauspieler, als so genannter Star, halte ich die Visage hin. Was glauben Sie, was mir in puncto Schleichwerbung alles nachgesagt wurde, auch in der Presse. Ich habe als Dramaturg keinen Sprecher engagiert, der Werbung machte. Alles klar? Anders ausgedrückt: Das Programm passt sich immer mehr der Werbung an, die dramaturgischen Strukturen werden immer trivialer, platter. Derartige Primitivstrukturen können komplexe Stoffe gar nicht mehr transportieren.

Mit Ihnen geht ein echter Saarländer. Wird der SR-„Tatort“ seinen Charakter verlieren?

Ich hoffe nicht. Palu war ja auch nur eine Kunstfigur – aber doch irgendwie typisch für die Saarländer.

Wie ist er denn so, der Saarländer?

Ein Schlitzohr. Dabei strebsam und zuverlässig. Mit einem leichten Minderwertigkeitskomplex, weil er nicht weiß, wohin er eigentlich gehört. Er isst gern, er trinkt gern und er fährt gern weit weg. Aber nur mit Rückkehrgarantie.

Vergangenen Montag wurde Ihr „Tatort“ in Saarbrücken intern vorgeführt. Gab’s was zum Abschied?

Die „Telefilm“ hat mir die letzte Klappe geschenkt und das Fahrrad. Dann gab es mehrere Feste mit dem Team und mit Intendant Fritz Raff. Bis zum Umfallen. An der Saar gehört das zum guten Ton. Wir haben uns als Freunde verabschiedet.

Das Interview führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

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