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Medien: „Das Wort Diktator stört mich ein bisschen“

Ein Berliner, der auszog, den deutschen Wald in Bayern zu retten: Christian Wolff war 18 Jahre lang der Förster in der ZDF-Serie „Forsthaus Falkenau“

Herr Wolff, warum lügen Sie so gerne?

Wie kommen Sie denn darauf?

Weil Sie das selbst behauptet haben.

Nein, nein, ich habe nicht gesagt, dass ich gern lüge. Sondern dass ich nicht auf alle Fragen immer gleich die ganze Wahrheit verrate. Wenn ich zum Beispiel nach meinen Herzinfarkt gefragt wurde, dann habe ich nicht immer komplett die Wahrheit gesagt. Das heißt aber noch lange nicht, dass ich dann lüge.

Vielleicht würden Sie gern mal lügen. Zum Beispiel bei allzu dämlichen Fragen.

Das brauche ich nicht. Gewisse Fragen beantworte ich nämlich nicht.

Zum Beispiel?

Fragen, die meine Privatsphäre berühren. Oder zum Thema Glaube oder Religiosität. Ich finde, jeder Mensch hat ein Anrecht auf einen Bereich, der keinen anderen etwas angeht. Ich bin nicht so gern ein öffentlicher Mensch, ich mag zum Beispiel keine Talkshows. Obwohl ich zugeben muss, dass ich in dieser Hinsicht in der letzten Zeit hin und wieder schwach geworden bin. Aber nur um meine letzte Staffel des „Forsthauses“ zu pushen.

Missionieren liegt Ihnen fern?

Das kann man so sagen.

Auch wenn es um den deutschen Wald geht?

Ich habe mit der Serie vor achtzehn Jahren ganz sicher nicht deshalb begonnen, weil ich Wald-Missionar werden wollte. Dass sich in den Jahren etwas in diese Richtung entwickelt hat, ist eine ganz andere Geschichte. Heute bin ich tatsächlich ein bisschen stolz darauf, dass wir in gewisser Weise missionarisch tätig waren, jedenfalls was das Bewusstsein der Deutschen, Natur und Umwelt betreffend, angeht. Selbst das bayerische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat uns gesagt, dass wir so viel für den Wald erreicht hätten, wie es keine noch so schöne seiner Hochglanzbroschüren vermöchte.

Was verbinden Sie mit dem Begriff Wald?

Dass da Bäume stehen. Ich bin schon als Jugendlicher sehr gerne durch die Berliner Wälder gestreift. Durch den Grunewald zum Beispiel, zwischen Avus und Havel. Ich war schon immer gerne in der Natur. Ich hatte ein Paddelboot, mit dem bin ich an den Wochenenden über den Pohlesee geschippert. Aber das mit der freien Natur hatte damals seine Grenzen. Kann schon sein, dass ich auch deshalb aus dem damaligen West-Berlin weggegangen bin. Da war bei mir eine Sehnsucht nach mehr Natur. Und nach Freiheit, das auch.

Es gibt eine direkte Linie Grunewald –Bayerischer Wald?

So weit würde ich nun auch wieder nicht gehen. Als ich Berlin verließ, war das „Forsthaus“ ja noch lange nicht in Sicht.

Es war Ihnen also nicht vorherbestimmt, Fernseh-Förster zu werden?

Wäre ich Mystiker, würde ich sagen: Wer weiß. Mein Urgroßvater war Förster in Greifswald. Er wurde von Wilderern erschossen. Diesem Schicksal wollte ich nicht nacheifern, nicht einmal im Fernsehen. Deshalb hatte ich den Wunsch, in der Serie einen anderen Weg gehen zu dürfen.

Warum haben Sie aufgehört, mitten im Erfolg?

Weil ich nicht zu der Gruppe Menschen gehören wollte, die nach einem Herzinfarkt einfach so weitermachen, als wäre nichts geschehen. Ich habe den Infarkt als Warnung verstanden und akzeptiert. Eine Serie wie das „Forsthaus“ bedeutet eine gewisse Belastung. Ich möchte gesund bleiben, deshalb musste Schluss sein.

Sie waren mehr als nur „der Förster“, wie man hört.

Mit den Jahren habe ich die eine oder andere Aufgabe zusätzlich übernommen, das ist schon wahr. Ich hatte zum Beispiel das Glück, die Drehbücher zu einem sehr frühen Zeitpunkt lesen zu können, so dass ich sagen konnte, lass uns dies oder das doch anders machen. Nach achtzehn Jahren als Fernsehförster war ich auch sachlich so fit, dass ich sachliche Fehler, die immer mal vorkommen, ausbügeln konnte.

Waren Sie ein kleiner Diktator?

Das Wort Diktator stört mich ein bisschen. Wenn Sie grüne Eminenz sagen würden, dann würde mir das schon etwas besser gefallen. Der Diktator Wolff hat allerdings schon ab und zu gesagt, nein, so geht das nicht, das müssen wir anders machen. Aber das hat damit zu tun, dass ich ganz bewusst versucht habe, die Figur Martin Rombach auf Kurs zu halten. Er sollte so bleiben, wie er ist. Und wenn da etwas nicht ins Bild passte, dann habe ich mich schon dafür eingesetzt, dass es aus dem Bild verschwand.

Wie weit konnten Sie gehen?

Im Extremfall ist es vorgekommen, dass ich eine ganze Szene vollkommen neu geschrieben habe, aber nur, wenn da etwas stand, was der Martin Rombach so nie und nimmer getan hätte. Das habe ich dann meinen Kollegen gefaxt, und der Regisseur musste sich am nächsten Tag in die Situation ergeben. Der wusste ja von nichts. Bei meiner Abschlussfeier ließ es sich der Produzent des „Forsthauses“ nicht nehmen darauf hinzuweisen, dass die Briefe eines gewissen Wolff ganze Aktenordner füllen würden.

Wo und wie wurden Sie überhaupt zum Förster Rombach?

Im Restaurant des alten Hamburger Flughafens. Dort habe ich mich zum ersten Mal mit dem Produzenten Jürgen Krinitz und Claus Beling vom ZDF getroffen. Damals gab es nicht viel mehr als die Idee, irgendetwas mit einem Förster zu machen. Ich habe spontan zugesagt. Aber fragen Sie ich bitte nicht warum. Ich weiß es nicht.

Tut es nicht weh, gerade dann aufzuhören, wenn das „Forsthaus“ noch einmal richtig durchstartet? Das ZDF hat die Anzahl der Folgen pro Jahr immerhin erhöht.

Das könnte ja auch etwas mit finanziellen Einschränkungen zu tun haben. Mehr zu produzieren mit dem gleichen Budget heißt: billiger produzieren. In diesem Jahr wurden ein Drittel mehr Folgen gedreht. Das heißt: weniger Drehtage pro Folge. Wir hatten zum Beispiel einen Anteil der Außenaufnahmen von bis zu achtzig Prozent. Das wird sich so sicher nicht halten lassen. Es wird im Verhältnis mehr Innenaufnahmen geben. Geben müssen. Das neue „Forsthaus“ wird also anders sein. Anders sein müssen.

Was für ein Mensch ist Ihr Martin Rombach?

Eine Art Vaterfigur. Mit der Fähigkeit, Konflikte und Probleme zu lösen. Und zwar zuverlässig. Mir hat einmal eine ältere Dame geschrieben, das „Forsthaus“ sei für sie so etwas wie Therapie. Ich habe das damals nicht ernst genommen, aber heute denke ich anders darüber. Vielleicht ist es genau das: eine Therapie durch Ruhe, durch ruhige Bilder.

Was halten Sie von der These, das „Forsthaus“ verbreite heile Welt?

Gar nichts. Wenn eine Tochter von Martin Rombach im Wald beinahe verbrennt und dann stirbt, wie in einer Folge geschehen, ist das dann heile Welt? Wenn das heile Welt ist, dann möchte ich nicht wissen, wie das Gegenteil aussieht.

Und mit den Frauen hat der Förster Rombach auch nicht gerade Glück.

Keine der Rombach-Frauen wurde bewusst ausgewechselt. Das hat mit den Schauspielerinnen zu tun, die wollten nach einiger Zeit nicht mehr mitspielen. Die Kolleginnen haben uns damit einen großen Gefallen erwiesen. Aber das hat sich erst hinterher herausgestellt. Denn dem Zuschauer hat die Abwechslung gefallen. Also: Ein Dank an die Frauen.

Das „Forsthaus“ ist die erfolgreichste Familienserie im deutschen Fernsehen. Haben Sie ein Ahnung warum?

Die Mischung Wald, Kinder, Tiere ist unschlagbar. Aber man darf es nicht übertreiben. Es gab mal eine ARD-Serie mit einem Förster, der sich auch in Düsseldorf herumtrieb. Das klappte überhaupt nicht. Wir haben uns immer auf das Wesentliche konzentriert. Ich glaube, das ist eines der Geheimnisse der Serie. Außerdem natürlich die Liebe der Deutschen zum Wald, die ist einfach legendär.

Wollten Sie nie raus aus dem Wald? Weg mit dem Mercedes, fort mit der Lederhose?

Die Firma Daimler-Chrysler, damals noch Mercedes Benz, meinte nach zehn Jahren, dass es nun Zeit sei für ein neues Auto. Ich habe zum Produzenten gesagt, okay, können wir machen. Aber wenn ich gefragt werde, warum ich ein neues Auto habe, werde ich sagen, weil der Mercedes nicht mal so lange gehalten hat wie meine Lederhosen. Das Auto blieb.

Sie sind ein sturer Förster.

Nein, ich habe nur überlegt. Ich wollte das Bild erhalten. Martin Rombach sollte bleiben, wie er immer war. Ich bin mir sicher, die „Forsthaus“-Gemeinde wollte das auch. Können Sie sich Columbo mit einem neuen Mantel und einem neuen Cabrio vorstellen?

Und die Lederhose?

Ist immer noch die erste. Genau wie der Hut. Das Schweißband wurde ab und zu erneuert, das war’s auch schon. Es gab immer nur diesen einen Hut. Dann machte auch noch der Laden zu, der uns diesen Hut verkauft hatte. Es sollte ein zweiter als Double gefertigt werden, aber nirgends war ein auch nur entfernt ähnlicher Filz aufzutreiben. Also blieb es bei diesem einen Hut. Stellen Sie sich vor, er wäre abhandengekommen! Das wäre ein schönes Drama geworden. Ist es aber nicht.

Das Interview führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

„Forsthaus Falkenau: Entscheidung in der Savanne“, Freitag, ZDF, 19 Uhr 25

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