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Datenschutz: Leichtathletik-WM: Journalisten gelten als Sicherheitsrisiko

Pressevertreter müssen sich vor der Leichtathletik-WM von Polizei und BND durchleuchten lassen - sonst dürfen sie nicht rein. Dafür fehlt jedoch die rechtliche Grundlage.

Zur Leichtathletik-WM in Berlin haben sich 3700 Journalisten akkreditiert und mussten eine hohe Hürde nehmen: Der Veranstalter Berlin Organising Committee GmbH (BOC) ließ die Daten der Journalisten überprüfen. Das Komittee beauftragte den Berliner Polizeipräsidenten die Journalistendaten mit Datenbanken vom LKA, Verfassungsschutz und BND abzugleichen. Diese "Zuverlässigkeitsüberprüfung“ sei notwendig, um einen "friedlichen, störungsfreien Verlauf“ der Veranstaltung zu sichern, erklärte das BOC.

"Das ist ein massiver Eingriff in das Gebot der Pressefreiheit“, sagte Ines Pohl, Chefredakteurin der taz. Die taz verzichte deshalb darauf, von der WM zu berichten. In ihrem Kommentar schreibt Pohl: Wenn jemand nachweisen könne, dass er Journalist sei, habe er das Recht, ungehindert zu arbeiten. Das BOC hält die Maßnahme für eine "völlig übliche Sicherheitsüberprüfung, wie sie in einer Stadt wie Berlin heute leider nötig ist". Das sagte der BOC- Mediendirektor Stefan Thies in der Süddeutschen Zeitung.

Um eine Akkreditierung zu bekommen, müssen die Journalisten zustimmen, dass Berlins Polizeipräsident Auskünfte über sie aus LKA-Datenbanken erteilt und die Personalien auch dem Verfassungsschutz und dem BND weiterleitet. Falls es dort Vermerke gibt, werde das BOC informiert – allerdings nicht über deren Inhalt. In der Einverständniserklärung heißt es, der Journalist erfahre schriftlich, welcher Behörde Einträge über ihn vorliegen und könne dann Einsicht beantragen.

Das war den Sportreportern der taz zu viel: Sie unterschrieben die Einverständniserklärung nicht und erhielten wie erwartet keine Akkreditierung. Sie beklagen, dass ein privates Unternehmen ein "Beschäftigungsverbot" für Journalisten erteilen könne. Denn das BOC bestimmt, wer ins Stadion darf.

Nicht nur Journalisten, auch Datenschützer sehen das Vorgehen des BOC kritisch: Für den Datenabgleich gebe es keine Rechtsgrundlage, sagte eine Sprecherin des Berliner Datenschutzbeauftragen zu ZEIT ONLINE. Deshalb müssen die Journalisten der Überprüfung zustimmen. Diese sei aber "nur dann ein zulässiges Mittel, wenn die Einwilligung freiwillig gegeben wird“, sagte die Sprecherin. Davon könne in diesem Fall nicht die Rede sein.

Das BOC sieht das anders, schließlich unterliege es der freien Entscheidung der Journalisten, das Formular auszufüllen, heißt es im Formular. Allerdings stellt es klar: "Sollten Sie diese allerdings verweigern, kann eine Akkreditierung nicht erfolgen."

Das kennen die taz-Redakteure auch schon von der Fußball-WM 2006. Dort wurden Journalisten erstmals in solchem Umfang überprüft – damals war die taz noch mit von der Partie. Beim G8-Gipfel in Heiligendamm im Jahr 2007 war das Prozedere ähnlich, dort blieb rund 20 Journalistinnen und Journalisten der Zugang versperrt. Alle, die sich der Prüfung für die Leichtathletik-WM unterzogen haben, seien jedoch zugelassen worden, sagte Stefan Thies ZEIT ONLINE.

"Dass Journalisten offenbar generell als Sicherheitsrisiko gesehen werden, ist mit der Pressefreiheit nicht vereinbar", sagte Michael Konken, der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes, zur BOC-Praxis. Allerdings werde sich an den immer rigoroseren Kontrollen nichts ändern, wenn sich niemand dagegen zur Wehr setze.

Genau das hatte eine freiberufliche Fotografin vor zwei Jahren getan: Sie hatte vor dem Berliner Verwaltungsgericht eine Akkreditierung für den G8-Gipfel in Heiligendamm erstritten. Das Gericht befand, dass es zu unkonkret sei, allein auf Empfehlung des BKA eine Akkreditierung zu verweigern. Außerdem sei die Fotografin in ihrer Pressefreiheit und in ihrer Berufsausübungsfreiheit verletzt worden.

Doch der taz und den Journalistenverbänden geht es nicht darum, eine Akkreditierung einzuklagen. Sie wollen nicht, dass dafür die heiklen Daten überhaupt abgefragt werden müssen. Dem BOC als Privatunternehmen ist allerdings weit schwieriger beizukommen als der Bundesregierung während des G8-Gipfels. Das sieht auch die taz ein: Sie hält juristische Schritte für "aussichtslos", weil der private Veranstalter nur auf dem Zivilrechtsweg verklagt werden könne. Wegen der Vertragsfreiheit im deutschen Recht könne das BOC nicht gezwungen werden, eine Akkreditierung auszustellen – so kann es die Konditionen für die Teilnahme bestimmen.

Juristisch sei das nicht angreifbar, doch die taz halte es gerade bei Veranstaltungen von großem öffentlichen Interesse für "fragwürdig", wenn die Zugangsbedingungen "derart übertrieben" werden und "sich der Staat ins Privatrecht flüchtet".

Quelle: ZEIT ONLINE, 8.8.2009 - 19:20 Uhr

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