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Debatte um Zukunft des Senders: Solide, nicht solitär

Was der Nachrichtensender N 24 leistet – für sein Publikum und ProSiebenSat 1.

Groß ist in diesen Tagen die Verführung zur Häme. Der Sender N 24 (auf meiner Fernbedienung auf Platz 22) ist jäh ins Zentrum der medienpolitischen Aufmerksamkeit geraten. Thomas Ebeling, der aus der Pharmaindustrie stammende neue Chef der Mediengruppe ProSiebenSat 1, zu der auch N 24 gehört, hat entdeckt, dass die Produktion von Nachrichten mehr Geld kostet als einbringt. Offenbar nimmt er seine Aufgabe ernst, die Sendergruppe im Dienst der Besitzer, der Investorengruppe Permira/KKR, für einen profitablen Weiterverkauf herzurichten. „Nachrichten sind vielleicht für das Image bei den Politikern wichtig“, formulierte Ebeling seine Sanierungsabsichten, „aber nicht unbedingt bei allen Zuschauern“. Dies empörte Politiker wie Medienaufsicht, und sogar die Staatskanzleien der Länder werden sich demnächst mit den Nachrichten im kommerziellen Fernsehen befassen. Alle plädieren für den unbedingten Erhalt von N 24.

Was aber bietet dieser Kleinsender, der in seinem Marktanteil (1,3 Prozent) seinen Konkurrenten n-tv (1,0 Prozent) in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen sogar übertrifft? Das Programm ist vollgestopft mit „Dokumentationen“ und „Reportagen“, die zudem häufig wiederholt werden. Typisch für den Sender sind, beispielsweise, eine fast einstündige Begeisterung über „Das größte Hotel der Welt“ (Reklame für Dubai) oder die „Reportage XXL: Härtetest Grundausbildung“ (Reklame für die Bundeswehr). Es geht von „Abschleppdiensten“ bis zur „Barrique-Fassproduktion“ in „Kronzuckers Kosmos“. Imageprägend sind auch Militär-Dokus wie „Der Panzerfriedhof der US-Armee“, für deren Ausstrahlung der Sender eigentlich noch Geld bekommen müsste. Stündlich gibt es kurze Nachrichten, einige Magazine – Wissen, Auto und Finanzen sind die bevorzugten Themen. Gelegentlich interessant sind die von Zulieferfirmen hergestellten Talk-Formate „Studio Friedman“ (donnerstags), „Was erlauben Strunz?“ (montags) und „LinksRechts“ mit Hans-Hermann Tiedje und Hajo Schumacher. Von einem deutschen CNN gar ist der Sender so weit entfernt wie Tasmania Berlin von Bayern München.

Von welcher Qualität ist aber das Kerngeschäft, was taugt N 24 als Nachrichtensender? Die stündlichen Nachrichten um 19 oder 20 Uhr sind relativ kurz. Meist reicht es nur zu vier bis maximal sechs Themen. Aber das Wichtigste bekommt man mit. Immer war in den letzten Tagen Kopenhagen der Aufmacher. Von gelegentlich seltsamen Formulierungen („wässrige Willensbekundung“) abgesehen, wurde der Verhandlungsstand adäquat referiert. Auch der jeweilige Stand der Kundus-Affäre wurde gemeldet. Man könnte sagen, dass dies keine Leistungen sind, die über den Agenturjournalismus hinausgehen; aber immerhin ist es ein Signal dafür, dass N 24 vermutlich der letzte Hort bei ProSiebenSat 1 ist, in dem tatsächlich Journalisten arbeiten. Auf Feinheiten wie die Regierungsbildung in Afghanistan oder den Auschwitz-Diebstahl wartet man allerdings vergebens. Dafür ist man wohl stolz auf einen auf Niederländisch vorgetragenen Heiratsantrag, den ein Autofahrer nach überstandenem Unfall in die Kamera gesprochen hat. Ebenso kommt ein Bremer Mordfall – zwar um einen Tag zu spät – an prominenter Stelle vor. Wie schlecht es um den Sender stehen muss, ist an der Werbung vor den 20-Uhr-Nachrichten abzulesen: Da werben Firmen wie Werner Herrmann aus Beerfelden im Stil der Dias im Provinzkino für sich.

Fast wichtiger als das Bespielen der eigenen großen Programmfläche ist für N 24 aber die Funktion als Abteilung Information der Großsender in der Programmfamilie. ProSieben bietet Nachrichten, die auf das eigene Profil als jugendaffines Unterhaltungsprogramm zugeschnitten sind. Würden sie entfallen – es würde kaum bemerkt werden. Sat 1 aber bemüht sich redlich, parallel zur „Tagesschau“ um 20 Uhr eine solide Nachrichtengebung zu sichern. Die Sendung ist kürzer als der übermächtige Konkurrent, aber sinnlos ist sie für immerhin 1,6 Millionen Zuschauer im Schnitt nicht. Die Kopenhagen-Berichte sind mit denen von N 24 identisch, werden aber stets durch ein Korrespondentengespräch vertieft. Durch einen News-Block ist die Sendung auch reicher an Themen. Der Bremer Mord wie eine aufgeregte Darstellung der „Sicherungsverwahrung“ rücken weit nach vorne. Etwas inaktuell wirkt die Sendung, weil gerne Beiträge ausgestrahlt werden, die schon am Tag zuvor auf N 24 liefen.

Die Nachrichten von Sat 1 machen den Eindruck, als seien sie zwar von Journalisten hergestellt, die aber ihrem Publikum nicht trauen und deswegen krampfhaft ihre Angel in Gewässer auswerfen, wo sie es vermuten. Das führt zu einem Rot- und Blaulicht-Überhang. Die vermisste jüngste Solo-Seglerin kommt vor, zugleich finden Bilder, die beweisen sollen, dass die Gattin von Tiger Woods den Ehering schon abgelegt habe, Eingang in die Nachrichten wie der Programmhinweis, dass der Torwart Jens Lehmann sich bei „Kerner“ erklären werde. Aber das macht das ZDF auch nicht so viel anders.

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