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Medien: Der Kampflächler

Wir hatten uns schon Gedanken gemacht – um Gerhard Schröder. Er, der Medienliebling, nach der Wahl: abgetaucht, ernst, sauer?

Wir hatten uns schon Gedanken gemacht – um Gerhard Schröder. Er, der Medienliebling, nach der Wahl: abgetaucht, ernst, sauer? Mag er uns nicht mehr? Oder ist es nur, weil der Mann aus Wolfratshausen ihm – wie bei Loriot – immer noch die Badewanne streitig macht? Ist er vielleicht doch noch ergraut? Oder völlig verbittert, verknittert und reif für die Insel? Die gute Nachricht vorab: Der Kanzler lächelt wieder! Zumindest im ZDF, bei den Herren Brender und Bellut. Am Vormittag, im Bundestag war er noch zornig, leckte noch die eigenen Wunden, – war aber schon besser drauf als bei der Regierungserklärung, jedenfalls nach Kommentatoren- Meinung. Und dann die Steigerung im ZDF.

Gleich der erste Angriff von Bellut wird abgelächelt. Bellut wird hektisch, Schröder fröhlich. Fehler seien vorgekommen, aber mehr nicht. Und wer es anders sieht, zeichnet ein falsches Bild – als Politiker oder als Journalist. Und natürlich ist er nicht abgetaucht – „wär ja ganz falsch!“ Wie immer, wenn der Kanzler lächelt, haben es die Journalisten schwer. Der gut gelaunte Schröder ist einfach nicht zu knacken.

Bellut und Brender (wie ist nach der letzten schwierigen Entscheidung beim ZDF jetzt die korrekte Reihenfolge?) mühten sich redlich und arbeiteten brav die ganze Liste ab: Steuererhöhungen, Kontakt zur Bevölkerung, Chaostage wie am Beginn der ersten Legislaturperiode 1998 usw.

Das ZDF fand Kanzler-kompatible Formulierungen für das, was andere Kollegen gemeinerweise Lügen nannten. Aber das half alles nichts.

Man sah Brender und Bellut die Verzweiflung an, sie wurden immer hektischer, fragten manchmal parallel und durcheinander, aber der Bundeskanzler hielt sie lächelnd auf Distanz, „aber Herr Brender, ich wollte doch nur Ihre Frage beantworten“, „Sie müssen sich entscheiden, was Sie mir vorwerfen wollen“. Aber nicht genug – im Verlauf der Sendung bekam der Kanzler immer mehr Oberwasser und fing an, selbst die Fragen zu stellen. „Woher wissen Sie denn, dass die Kapitalflucht zunimmt? Die ist doch meistens geheim,“ – zu Brender.

Noch schlimmer traf es Bellut nach einer Rentenfrage. „Wissen Sie denn, wie hoch die durchschnittliche Rente ist?“ Bellut wusste es nicht. Etwas peinlich und eine wunderbare Vorlage für Schröder. Der punktete und belehrte mal kurz die Journalisten, und uns gleich mit.

Immerhin, einiges brachten Bellut und Brender dann doch ans Licht, im Satz-Ergänzungsspiel: Dass der Kanzler vielleicht doch Urlaub braucht, wenn ja, erst zu Weihnachten, und dass er sich gelegentlich Ruhe wünscht. Wer hätte das gedacht! Aber das war’s dann auch an Kanzler-Eingeständnissen, so dass die beiden Fragesteller deprimiert in ihre Unterlagen schauten, als der Abspann lief, während Schröder sie immer noch anlächelte. Da trafen zwei Welten aufeinander: die, in der wir die letzten Wochen gelebt haben und die von Schröder.

Wie hieß es in der Ankündigung der Sendung, „die Stimmung ist schlecht, alle warten auf den Kanzler.“ Die Stimmung ist immer noch schlecht, aber auf den Kanzler brauchen wir nicht mehr zu warten. Der war wieder da. Jedenfalls für 30 Minuten, im ZDF. Und ziemlich gut drauf. Und wer würde sich in diesen Zeiten nicht auch über kleine gute Nachrichten freuen.

Desiree Bethge

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