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Im neuen ZDF-Fernsehrat  wird unser Autor, der CDU-Politiker Ruprecht Polenz, nicht mehr vertreten sein. Er freut sich auf den nächsten „Wilsberg“ (mit Leonard Lansink).

© ZDF und Bernd Spauke

Der neue ZDF-Fernsehrat: Ich bekenne: Ich war ein Fernsehrat!

Ruprecht Polenz über seine Erfahrungen als Chef im wichtigsten Kontrollorgan des ZDF. Am Freitag konstituiert sich der neue, schlankere ZDF-Fernsehrat.

Mit dieser Überschrift, die mir von der Redaktion des Tagesspiegel vorgegeben war, habe ich ein Problem. Denn Sünden werden „bekannt“, Fehler und kleine oder größere Schwächen auch. Aber die Mitgliedschaft im ZDF-Fernsehrat? Doch immerhin hat Günther Jauch die Mitglieder solcher Aufsichtsgremien mal als „Gremlins“ bezeichnet, also als kleine, lichtscheue Monster, als „Profilneurotiker, die selbst gestandenen Intendanten das Leben schwermachen“ könnten. Vielleicht hatten die Fernsehräte der ARD damals seinen Vertrag nicht einfach durchgewunken und sich so den Zorn des beliebten Moderators zugezogen.

Im Laufe meiner 14 Jahre als Vorsitzender des ZDF-Fernsehrats musste ich mich immer wieder mit einigen besonders hartnäckigen Vorwürfen auseinandersetzen, die inzwischen bei manchen zu festen Vorurteilen geronnen sind. Deshalb gibt es an dieser Stelle auch kein schuldbewusstes Bekenntnis, sondern den erneuten Versuch, diese Vorurteile zu entkräften.

1. Vorurteil: „Gremien voller Gremlins“

Im Gegensatz zu Gremlins vertragen wir Fernsehräte im ZDF das helle Sonnenlicht ganz gut! Denn wir bemühen uns um Transparenz. Der Fernsehrat tagt inzwischen bei allen vier Sitzungen im Jahr öffentlich. Nach jeder Plenumssitzung, die von Fachausschüssen vorbereitet wird, habe ich in einer Pressekonferenz ausführlich Rede und Antwort gestanden. Seit einiger Zeit ist noch ein Internet-Chat mit den Zuschauern dazugekommen. Wer sich über das ZDF und sein Programm beschweren möchte, findet ein einfaches und klares Beschwerdeverfahren, bei dem nicht nur der Intendant selbst Stellung nimmt, sondern abschließend auch der Fernsehrat, wenn der Beschwerdeführer mit der Antwort des Intendanten nicht einverstanden ist.

Es sind die gesellschaftlich relevanten Gruppen, die nach dem ZDF-Staatsvertrag im Fernsehrat die Aufsicht führen sollen. Der DGB war durch seinen Vorsitzenden Michael Sommer vertreten, der Deutsche Industrie- und Handelskammertag durch den stellvertretenden Hauptgeschäftsführer Achim Dercks, der Umweltschutz durch den Präsidenten des NABU, Olaf Tschimpke, das Deutsche Rote Kreuz durch seinen Präsidenten Rudolf Seiters und der Zentralrat der Juden in Deutschland durch Salomon Korn. Die Liste ließe sich noch fortsetzen (alle 77 finden Sie im Internet unter fernsehrat.zdf.de). Alles gestandene Persönlichkeiten, die ihre Lebens- und Berufserfahrung in die Arbeit des ZDF-Fernsehrats einbringen.

CDU-Politiker Ruprecht Polenz war 14 Jahre lange Vorsitzender des ZDF-Fernsehrates.
CDU-Politiker Ruprecht Polenz war 14 Jahre lange Vorsitzender des ZDF-Fernsehrates.

© picture alliance / dpa

2. Vorurteil: „Staatsfernsehen“

Dieser Vorwurf ist so alt wie das ZDF. Genau genommen sogar etwas älter: 1961 urteilte das Bundesverfassungsgericht, die Gründung der „Deutschland-Fernsehen GmbH“ sei nicht konform mit dem Grundgesetz. Erst das Aus des sogenannten Adenauer-Fernsehens ermöglichte dann das von den Ländern gemeinsam initiierte ZDF. Das Etikett „Staatsfernsehen“ blieb dennoch irgendwie kleben. Selbst in seinen souveränen Entscheidungen rund um den Fall Böhmermann, mit dem das sogenannte „Staatsfernsehen“ nach Meinung vieler fast eine „Staatskrise“ auslöste.

Inzwischen gehört der alte Kampfbegriff schon zu den moderateren Tönen in einem schrillen Konzert, in dem unsere demokratische Presse als „Lügenpresse“ und „Systemmedien“ diffamiert wird. Viele haben leider vergessen, dass das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem als Reaktion auf die verheerenden Wirkungen der Hugenberg-Presse in der Weimarer Republik und die Gleichschaltung aller Medien in der Nazi-Zeit eingeführt wurde. Schon aus diesem Grund sollten wir „unser BBC-Modell“ schätzen.

3. Vorurteil: „Überfinanzierung“

Der Rundfunk-Beitrag gibt immer wieder Anlass zu hitzigen Diskussionen. Man wolle nicht für etwas bezahlen, was man nicht bestellt habe. Aber Qualitätsfernsehen und Qualitätsjournalismus sind für eine funktionierende Demokratie systemrelevant. Nur weil praktisch alle bezahlen, kann das ZDF seine Leistungen für den Einzelnen so günstig anbieten: Ein Euro pro Woche für ZDF, ZDFneo, ZDF-info und den ZDF-Anteil an Phoenix, 3sat, Arte und Kika.

4. Vorurteil: „Quote statt Qualität“

Das ZDF hat es 2012 geschafft, zum meistgesehenen Sender zu werden – und diese Marktführerschaft nicht wieder abgegeben. Gleichzeitig gewinnen ZDF-Beiträge immer wieder nationale und internationale Preise. Das ZDF-Vollprogramm muss sich an alle Gebührenzahler richten. Deshalb ist es falsch, einen abstrakten Qualitätsbegriff gegen die Akzeptanz der Zuschauer auszuspielen. Quote und Qualität müssen kein Widerspruch sein.

5. Vorurteil: Alt, behäbig, durchpolitisiert

Mit dem Alter nimmt Genie ab und Urteilskraft zu, sagt Kant. Der Fernsehrat hat sich in meiner Amtszeit ständig mit neuen technologischen Entwicklungen und alternativen Verbreitungswegen von Bewegtbild beschäftigt, samt den dazugehörigen Rahmenbedingungen. Die Zahl jüngerer Zuschauer nimmt wieder zu, nicht zuletzt dank ZDFneo und ZDFinfo. Und was das Thema „Politiker“ im Fernsehrat angeht: Ich finde die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts richtig, die Entsenderechte des Staates auf ein Drittel zu begrenzen. Was ich nicht richtig finde, ist, dass die Staatsseite in Zukunft sehr einseitig nur aus Vertretern der Landesregierungen besteht. Ich habe 16 Jahre lang sehr gern im ZDF-Fernsehrat gearbeitet, mich als Anwalt der Zuschauer-Interessen verstanden. Der Abschied fällt nicht leicht. Als Zuschauer bleibe ich dem ZDF verbunden. Als Münsteraner darf ich bekennen: Ich freue mich auf den nächsten „Wilsberg“.

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Maximal ein Drittel der Mitglieder des ZDF-Fernsehrats dürfen nach dem Urteil des Verfassungsgericht auf der „Staatsbank“ Platz nehmen. Der neue Rat, der sich am Freitag konstituiert, besteht darum auch nur noch aus 60 statt zuvor 77 Mitgliedern – davon 20 vorwiegend aus den Landesparlamenten. Das Deutschlandradio geht einen anderen Weg. In dessen Verwaltungsrat werden auch künftig drei Vertreter der Bundesländer und ein Vertreter der Bundesregierung sitzen. Die Zahl der Mitglieder des Gremiums wird aber von acht auf zwölf erhöht, wie aus dem Entwurf des neuen Deutschlandradio-Staatsvertrags hervorgeht. Dadurch reduziert sich die Staatsquote von 50 Prozent auf ein Drittel. Der Hörfunkrat wird aus gleichem Grund ebenfalls vergrößert – von 40 auf 45 Mitglieder. sag

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