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Medien: Der „Ossi“ aus Wittenberge

1993 ließ Autor Wolfgang Menge den „Motzki“ auf die wiedervereinigten Deutschen los. Und 2004?

Herr Menge, was ist drüben im Osten eigentlich los?

Woher soll ich das wissen? Ich bin aus Hamburg. Und das ist weit weg. Bismarck hat mal gesagt, Deutschland sei eine dynastische Nation. Das heißt, die Bayern interessieren sich für Bayern, die Sachsen für Sachsen. Und die Hamburger für Hamburg. Und so ist es auch.

Interessiert Sie denn gar nicht, was da im Osten zurzeit los ist?

Der Osten reicht bis weit nach China. Aber wenn Sie den deutschen Osten meinen: Als Autor ist mein Interesse tatsächlich gering. Die deutsch-deutschen Beziehungen sind für mich abgehandelt. Dazu gibt es nicht mehr viel zu sagen.

Sie haben Ihren Super-Wessi Motzki in Ihrer Serie einmal sagen lassen: „Das Ostpack will doch nur an unser Geld.“ Klingt ziemlich aktuell, finden Sie nicht?

Wenn den Leuten im Osten etwas vorzuwerfen ist, dann, dass sie diese immensen Transferleistungen der letzen Jahre kommentarlos einfach so in die Tasche stecken. Das gefällt mir nicht besonders. Ich will ja nicht, dass die sich alle bei mir anstellen, um sich zu bedanken. Aber es sind doch immerhin Steuergelder von Krankenschwestern, Postboten und auch von mir natürlich.

Was sagen Sie denen, die jetzt von einer neuen Armut in Deutschland sprechen?

Denen sage ich, dass Peter Rühmkorff, der Hamburger Dichter, einmal ausgerechnet hat, dass er als Gedichteschreiber auf einen Stundenlohn von neun Cent kommt. Und das ist schon ein paar Jahre her.

Fühlen Sie sich als Autor von der Situation nicht herausgefordert?

Ich habe zu dem Thema schon so viel gesagt. Im Bereich des Fernsehspiels mehr als andere. Jetzt sind die anderen dran.

Ist es nicht höchste Zeit, einen wie Motzki wieder aufleben zu lassen?

„Motzki“ hat seine Mission erfüllt. Ich habe damals „Motzki“ gemacht, weil alle so getan haben, als laufe die deutsche Vereinigung wie geschmiert. Das fand ich nun überhaupt nicht. Aber ich bin kein Prediger. Ich wiederhole mich ungern.

Man könnte doch „Motzki“ wiederholen.

Wenn ich im Fernsehen zu bestimmen hätte, ich würde es wiederholen, schon aus Neugier. Aber vielleicht interessiert die Fernsehleute das Thema auch überhaupt nicht.

Wäre Motzki überhaupt die richtige Figur für die Probleme von heute?

Ich würde es heute ganz anders machen, das ist klar. Pastor Friedrich Schorlemmer hat neulich im Radio von „diesem reichen Land“ gesprochen und Deutschland gemeint. Sicher, verglichen mit einem Land wie Somalia sind wir reich. Aber das reiche Land von 1990 gibt es nicht mehr. Der Motzki von heute müsste von ganz anderen Voraussetzungen ausgehen.

Wie wäre er denn?

Das könnte ich Ihnen sagen, nachdem ich darüber vier Wochen nachgedacht habe. Aber eines ist klar: Die dominierende Figur müsste heute aus dem Osten kommen. Weil es gegen den Osten ginge. Die Motzki-Schwägerin aus dem Osten von damals sollte die Abhängigkeit verkörpern, aber ihre Würde behalten. Heute würde ich den Ossi vermutlich eher dem Foto aus Wittenberge anpassen, das der Tagesspiegel vor ein paar Tagen auf der ersten Seite gedruckt hat.

Motzki hat vor elf Jahren gesagt: „Unser Geld können wir genauso gut in den Gulli werfen, die sind wie verwöhnte Kinder.“

Ja, und?

Sie waren damals der Lafontaine des Fernsehens.

Mit Lafontaine möchte ich nicht verglichen werden. Lafontaine hat gegen die Wiedervereinigung argumentiert, ich nicht. Er hatte schwachsinnige Argumente, ich nicht.

Wie waren die Reaktionen aus dem Osten auf „Motzki“?

Ich habe mehrere Male über Stunden bei Sendern aus dem Osten auf Höhreranrufe reagiert. Da bin ich von niemandem angemeckert worden. Alle fanden Motzki wunderbar. Die Ossis haben die Wessis wiedererkannt. Sie wussten doch, wie die Wessis über sie reden. Dass die Beschimpfungen von Motzki eines Tages doch die Wirklichkeit wiedergeben würden, das konnte damals keiner ahnen.

Was halten Sie von dem schönen Slogan „Wir sind das Volk“?

Mit dem Begriff „Volk“ habe ich mich immer schwer getan. Wenn man mich vor meiner Geburt gefragt hätte, was möchtest du werden, ich glaube nicht, dass ich „Deutscher“ geantwortet hätte. Italiener fände ich nicht schlecht: schönes Wetter, gutes Essen, immer gut angezogen. Wenn ich auswandern würde, dann vielleicht nach Dänemark. Da ist alles so ruhig, so gemütlich.

Also doch: Sie sind vom Osten schwer enttäuscht.

Warum sollte ich? Nach den ersten politischen und ökonomischen Entscheidungen habe ich nicht mehr viel erwartet.

Das Interview führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

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