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Im Blick der Kameras war Wetterexperte Jörg Kachelmann (mit Lederjacke) am Mittwoch beim angesetzten Haftprüfungstermin im Amtgsgericht Mannheim. Foto: dpa

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Medien: Der Promi-Krimi

Wer sich am Mittwoch in „Tagesschau“ oder „Tagesthemen“ informieren wollte, wie der Haftprüfungstermin von Jörg Kachelmann verlaufen ist, wurde enttäuscht. Die ARD berichtete bisher in keiner der beiden Nachrichtensendungen darüber, dass der TV-Wetterexperte wegen Verdachts der Vergewaltigung seiner früheren Lebensgefährtin in Untersuchungshaft sitzt.

Wer sich am Mittwoch in „Tagesschau“ oder „Tagesthemen“ informieren wollte, wie der Haftprüfungstermin von Jörg Kachelmann verlaufen ist, wurde enttäuscht. Die ARD berichtete bisher in keiner der beiden Nachrichtensendungen darüber, dass der TV-Wetterexperte wegen Verdachts der Vergewaltigung seiner früheren Lebensgefährtin in Untersuchungshaft sitzt. Kachelmann, der die Vorwürfe bestreitet und sich dagegen juristisch zur Wehr setzt, moderiert das ARD-Wetter.

Zuschauer warfen den Machern der Sendungen im „Tagesschau“-Blog Parteilichkeit und Zensur vor. „Absurd“, findet das Thomas Hinrichs, zweiter Chefredakteur von ARD-aktuell. Bei der Auswahl der Nachrichten für die Sendung spiele Relevanz die wichtigste Rolle, aber „in diesem besonderen Fall vor allem auch ein Mindestbestand an Beweistatsachen neben weiteren Kriterien“, sagt Hinrichs. Sein Kollege, ARD-aktuell-Chefredakteur Kai Gniffke, schreibt im „Tagesschau“-Blog, dass eine „Promi-Krimi-Mixtur“ in der „Tagesschau“ im jetzigen Zustand nichts verloren habe. Von Zensur könne keine Rede sein, weil die ARD in ihrer Boulevardsendung „Brisant“ sowie in Regionalprogrammen und Hörfunkwellen über Kachelmanns Verhaftung berichtet habe.

Das ZDF hat anders entschieden. Am Montag, als Kachelmanns Verhaftung am Frankfurter Flughafen bekannt wurde, gab es in den „heute“-Sendungen um 17 Uhr und 19 Uhr kurze Meldungen. „Jörg Kachelmann ist für uns eine absolute Person der Zeitgeschichte und es lag ein Haftbefehl vor. Deshalb haben wir die Verhaftung als nachrichtenwürdig empfunden“, sagt Elmar Theveßen, Leiter der ZDF-Hauptredaktion „Aktuelles“ und stellvertretender Chefredakteur des ZDF. Im „heute-journal“ sei dann auf eine Meldung verzichtet worden, weil es wichtigere Nachrichten gegeben habe. Dienstag und Mittwoch sei in beiden Sendungen nicht weiter berichtet worden, weil es keine neuen Stand gegeben habe.

Dafür griffen die ZDF-Sendungen „Hallo Deutschland“ und „Leute heute“ den Fall weiter auf und zeigten am Mittwoch, wie Kachelmann nach seiner Vernehmung im Amtsgericht Mannheim auf dem Hof zurück zum Gefangenentransporter lief.

Dass Journalisten Gelegenheit bekamen, diese Aufnahmen zu machen, empört den Berliner Medienanwalt Christian Schertz. Er wirft der Staatsanwaltschaft vor, Kachelmann öffentlich zur Schau gestellt zu haben. „Mir ist kein Fall in der deutschen Pressegeschichte bekannt, wo es die Justiz ermöglicht hat, dass ein bloßer Beschuldigter vor laufenden Kameras in eine grüne Minna geschlossen wurde“, sagt Schertz. Er stelle seit geraumer Zeit fest, dass die Staatsanwaltschaft im Fall von Prominenten nicht mehr hinreichend abwäge zwischen dem allgemeinen Informationsinteresse und dem Schutz der Privatsphäre des Beschuldigten. Es gebe einen „Promi-Malus“.

Die Staatsanwaltschaft Mannheim weist den Vorwurf der Zurschaustellung zurück. Das Vorgehen sei mit Kachelmann abgestimmt gewesen. Kachelmanns Anwalt sagte dagegen, sein Mandant sei lediglich darüber informiert worden, dass Journalisten im Hof warten würden. Kachelmann habe dann aber mit den Reportern sprechen wollen.

ARD und ZDF wollen in ihren Nachrichtensendungen erst beziehungsweise wieder über den Fall berichten, wenn es neue, relevante Fakten gibt.

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