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Mo Asumang trifft Klu Klux Klan

© ZDF

"Die Arier": Mo Asumang trifft den Klu Klux Klan

Die Afro-Deutsche Mo Asumang sucht in einem sehr persönlichen Dokumentarfilm Gründe für den Hass der Neo-Nazis. Am Ende gibt es Hoffnung - auch auf eine symbolträchtige Begegnung.

Mo Asumang muss eine Riesen-Geduld haben. Immer die gleichen Fragen von ihr: „Warum?“ „Warum macht Ihr das?“ „Was wollt Ihr von mir?“ „Sprich mit mir!“ Immer wieder die gleichen Reaktionen. Schweigen, finstere Blicke, verschränkte Arme, Platzverweise. Mo Asumang und der Hass der Neo-Nazis – das ist eine lange Geschichte, und wenn man sie sich einmal anhört und ansieht, stellt sich die Frage, was mehr zu bestaunen ist: der Mut, mit dem sich die Moderatorin einem sehr persönlichen Filmprojekt stellte oder die Naivität, mit der sie auf diejenigen zuging, die sie hassen.

Es begann mit einer Morddrohung gegen die afrodeutsche Schauspielerin, Regisseurin und Moderatorin, die Ende der 1990er Jahre mit dem TV-Magazin „Liebe Sünde“ bekannt wurde: „Die Kugel ist für dich, Mo Asumang“ heißt es im Lied der Neonazi-Band „White Aryan Rebels“. Die gewünschte Kugel war nicht die einzige Drohung und Beleidigung, die sie in den vergangenen Jahren erhalten hat. Mo Asumang war geschockt, sie fing an, sich mit dem Thema Rassismus zu beschäftigen. Vor allem, mit dem, was da zu Grunde liegt: der Arierbegriff, die Irrtümer, die an ihm hängen. Bei Beate Zschäpe, dem mutmaßliches Mitglied der Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU), fand man einen Artikel, der die „arische“ Rasse erklärt, in den USA werden Morde durch „Aryan Hategroups“ verübt. Dazu kam die Erkenntnis, dass Asumangs Großeltern mütterlicherseits in die Nazi-Zeit verstrickt waren. Ein Lebensthema.

Als Botschafterin für die Initiative „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ hat Mo Asumang ihren ersten Dokumentarfilm „Roots Germania“ in Schulen vorgeführt und erlebt, wie Schüler und Lehrer unter Ariern immer wieder den blonden Deutschen verstanden. „Niemand wusste, dass arisch gar nicht deutsch bedeutet. Der Begriff wird immer noch so verstanden, wie er in der Nazizeit missbraucht worden ist.“ Das werden ihr natürlich nicht die Neo-Nazis auf der Straße zurecht rücken. Dafür braucht es eine Reise um die halbe Welt. Berlin, Potsdam, Iran, USA. Mo Asumang befragt einen Historiker: Der Begriff „Arier“ wurde von so genannten Rassenkundlern aus der Sprachwissenschaft entwendet. Belegt ist die Selbstbezeichnung „arya“ nur aus dem Iran und Indien. Sie trifft NPD-Funktionäre, die ihr dabei helfen wollen, in den Vielvölkerstaat USA auszuwandern, und ihre jüdische Freundin Esther Bejerano, 89, deren Eltern im KZ umgekommen sind und die mit Neo-Nazis nichts zu tun haben will. Mo Asumang entdeckt den Kulturtheoretiker Klaus Theweleit und dessen Theorie des „Fragment-Körpers“, demzufolge es mit dem Selbstbewusstsein des (Neo-)Nazi nicht allzu gut bestellt ist. Und einen FBI-Undercover-Mann, der sich jahrelang mit „Aryan Hategroups“ in den USA herum geschlagen hat.

Sie begegnet einem Mitglied des Klu Klux Klan nachts im Wald. Hat sie spätestens da keine Angst gehabt? „Es gab ein paar Momente. Gerade in Amerika, wo Waffen im Unterschied zu Deutschland gang und gebe sind.“ Auf dem Rücksitz des Klu-Klux-Klan-Wagens, dessen Fahrer ihr mit Heil-Hitler-Gruß entgegen kam, lagen Maschinengewehre. Ihre Kamerafrau und sie wurden nach dem Interview bis zum Hotel verfolgt. Andererseits, sie wollte, sie musste Bilder erzeugen. Antworten auf ihre Fragen kriegen.

Herzblut und Engagement

Sicher, es gibt Kritikpunkte an dem, vom ZDF co-produzierten Film. Der naive Ton, mit dem die 50-Jährige ihren Gesprächspartnern gegenübertritt. Der stets verständnisvolle Blick, der etwas Überhebliches haben und in Vorführeffekte übergehen kann, vor allem, wenn er auf einen Thule-Forscher fällt, der uns das Herkommen der Arier aus dem All erklärt. Auf die Bitte des US-Radiomoderators und Top-Rassisten Tom Metzger umarmt Mo Asumang dann noch einen Baum, „um die Wurzeln zu spüren, die uns alle verbinden“. Danach umarmt Asumang den Mann. Hoffentlich sieht’s keiner, sagt der beim Abschied. Bildung allein schaffe es nicht, den Rassismus zu überwinden, erklärt Asumang. „Wir müssen Herzblut und Engagement mitbringen, ansonsten ändert sich nichts.“

Man kann es sich gut vorstellen, das gelegentliche Lachen in den Schulklassen, wenn der „Arier“-Film vorgestellt wird und an einer Stelle eine iranische Hirten-Familie erklärt: „Wir Arier sagen, Hitler war verrückt. Der hatte psychische Probleme.“ Es gibt keinen Unterschied zwischen den Völkern. Das ist arisch.“ Punkt. Aus. Ende der Diskussion. Von wegen: der blonde Deutsche, der Arier.

Der Film hätte an dieser Stelle zuende sein können. Wäre da nicht die Geschichte des Christoph Sorge, einem Aussteiger aus der rechten Szene, der sich dem Filmprojekt nach anfänglichem Zögern angeschlossen hat. Er sitzt bei der Film-Präsentation in Berlin-Mitte ein bisschen stolz neben der Filmemacherin, die ihm gelegentlich aufmunternd über die Schulter streichelt. Über zehn Jahre war Christoph auf der anderen Seite, auf der Suche nach Werten, die ihm seine Eltern nicht vermittelt haben.

Ja, sie wolle den Prozess dieses Aussteigens noch ein wenig begleiten, sagt Mo Asumang. Die Sache sei nicht beendet. Geduld? Kein Problem. Es gibt ja nicht nur Hass, nicht nur Ausgrenzung. Und vielleicht kommt es doch noch mal zu einer Begegnung zwischen Christoph und Esther, zwischen dem 21 Jahre jungen Aussteiger aus der rechten Szene und der 89-jährigen KZ-Überlebenden.

„Die Arier“, Dienstag, Arte, 22 Uhr 10

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