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Medien: Die Chefredaktion hat gewählt

Nach sechsstündiger Debatte beschließt die „Financial Times Deutschland“: Wir empfehlen die CDU

Von Ulrike Simon

Seit dem 28. August erscheint in der deutschen Ausgabe der „Financial Times“ täglich ein Kommentar zur Bundestagswahl. Jeden Tag nahm sich ein Autor der „FTD“ einem Themenkomplex an. Die 13 Kommentare hinterließen den Eindruck, dass die Redaktion für eine Fortsetzung der Regierungs-Koalition plädiert.

Zum ersten Mal in der Geschichte wird bei diesen Bundestagswahlen mit der „Financial Times Deutschland“ (FTD) eine deutsche Zeitung eine Wahlempfehlung veröffentlichen. Sie folgt damit der Tradition angelsächsischer Zeitungen. In Deutschland bricht sie ein journalistisches Tabu. Natürlich kann man bei vielen Zeitungen zwischen den Zeilen herauslesen, welcher politischen Richtung sie anhängt. Die „FTD“ ist der Ansicht, dem Leser würde damit Überparteilichkeit vorgegaukelt. Sie hingegen wird am Montag öffentlich machen, welche Partei sie präferiert. Eine ganze Seite wird die Zeitung für die Wahlempfehlung, für das Für und Wider, freiräumen. Autor wird der Kommentarchef Nikolaus Förster sein, redigierend Hand anlegen werden die beiden Chefredakteure Christoph Keese und Wolfgang Münchau. Erscheinen wird der Artikel jedoch anonym.

Von 15 bis nach 21 Uhr dauerte am Freitag die Diskussion innerhalb der Redaktion. Diszipliniert und offen sei es zugegangen, berichten Teilnehmer. Konsens wurde nicht erzielt. Die einzelnen Parteien wurden nach den Themen abgeklopft, die der Redaktion als wichtig erschienen. Letztlich wurde auch nach dem Ausschlussprinzip vorgegangen. Der Chefredaktion wurde unterstellt, sie könnte für die FDP sein. Eine FDP mit Möllemann? Geht nicht, argumentierte die Redaktion. Schließlich zog sich die Chefredaktion zurück, machte Gebrauch von ihrem Recht, die Linie des Blattes zu bestimmen, und entschied: Empfohlen wird die CDU, die Grünen werden lobend erwähnt. Ausschlaggebend, sagt Münchau, seien die Positionen in der Wachstums- und Außenpolitik gewesen. Schießlich verstehe sich die „FTD“ als „globale Wirtschaftszeitung“. Hinzu sei gekommen, sagt Keese, dass bei den Ressortleitern große Wechselstimmung herrsche.

Viele in der Redaktion hat die Entscheidung überrascht. Die CDU als reformfreudige Partei – diese Schlussfolgerung war aus der Redaktionsdebatte nicht zu ziehen. Manche reagierten frustriert. Das basisdemokratische Prinzip gilt bei der „FTD“ nicht, das war von vornherein klar, sagt Münchau.

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