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Medien: Die Märchenstunde

Die Telenovela ist das Lieblingsgenre der Latinos. Im ZDF startet eine deutsche Variante, die Privaten ziehen nach

Eigentlich stellt man sich den Weg zum Glück als lang und beschwerlich vor. Beim ZDF ist wohl eher das Gegenteil der Fall: schnell, schnell musste es den Mainzern mit der ersten deutschen Telenovela gehen. Wenigstens einmal wollte man in Sachen neues Fernsehformat die Nase vorn haben. Das hat nun geklappt: mit „Bianca – Wege zum Glück“ startet das ZDF als erster Sender eine nachmittägliche Romantikserie. Sat1 wird im Frühjahr nachziehen, auch bei RTL entwerfen sie gerade eine Variante.

Ein etwas absurdes Wettrennen, wenn man bedenkt, dass das Konzept der Telenovela über 45 Jahre alt ist. „Das Recht, geboren zu werden“ hieß der erste „TV-Roman“, der 1958 in Mexiko anlief und schnell ein ganzes Genre im südamerikanischen Fernsehen etablierte. Schon damals waren die charakteristischen Merkmale der Telenovela ausgeprägt: fantastische Quoten und ein sehr überschaubarer Plot. Die Handlung konzentriert sich auf das Schicksal einer einzelnen Heldin oder eines einzelnen Helden, das ist der Hauptunterschied zur Soap, in der ein Schauspieler-Ensemble im Mittelpunkt steht. Modern und doch märchenhaft ist das Leben in der Telenovela. Und nach 100 bis 200 Folgen ist Schluss, Held oder Heldin haben Glück, Liebe und Berufung gefunden. Insgesamt ein reichlich simples Konzept, das trotzdem im südamerikanischen Fernsehen hundertfach erfolgreich aufgegangen ist.

Warum ist es nun plötzlich für deutsche TV-Sender so attraktiv? „Das Publikum lechzt nach Entspannung“, sagt Claus Beling, Redaktionsleiter für den Bereich Unterhaltung-Wort beim ZDF und verantwortlich für „Bianca“. Tatsächlich bringen Telenovelas nach den zahllosen krawalligen Talk- und Gerichtsshows Ruhe und Gefühligkeit ins Nachmittagsprogramm. Beling, der bereits die abendliche Schnulzenschiene beim ZDF mit Rosamunde Pilcher und Inga Lindström aufgebaut hat, nennt das emotionales Erzählen: „Wir haben keine Angst vor Gefühlen.“

Zumindest im Fall „Bianca – Wege zum Glück“ stimmt das uneingeschränkt. Nach vier Jahren Gefängnis für ein Verbrechen, das sie nicht begangen hat, lebt sich die 28-jährige Bianca nur schwer wieder in der Freiheit ein. Zwar findet sie im reichen Bankierssohn Oliver die Liebe ihres Lebens, doch stehen das Schicksal, Klassenunterschiede und eine intrigante Cousine zwischen ihnen. Minutiös erzählt „Bianca“ von Wegen und Umwegen zum Glück, dennoch bleiben die Charaktere platt und leblos. Oft wird die innere Stimme von Bianca als Stilmittel eingesetzt, um zu erklären, was die hölzernen Dialoge und Darstellungen nicht geschafft haben: nämlich die Motivationen der Figuren.

Zumindest bei den Dreharbeiten gab es aber die großen Emotionen: „Bei einzelnen Szenen haben wir am Set geweint“, erzählt Producerin Pia Goden. Seit dem Spätsommer dreht ihr Team für ein Jahr lang unter mörderischem Produktionsstress. 42 Minuten, also eine gesamte Folge, an sendefähigem Filmmaterial müssen täglich gedreht werden. Zum Vergleich: bei Daily Soaps werden „nur“ rund 23 Minuten am Tag produziert. Von der Fertigstellung eines Drehbuchs bis zur Verfilmung vergehen nur fünf Wochen. „Das alte Erzählfernsehen ist fast nicht mehr finanzierbar“, sagt Redaktionsleiter Beling. Das neue Erzählfernsehen mag nun bezahlbar sein, erträglich ist es kaum.

„Bianca“: 16 Uhr 15, ZDF

Hannah Pilarczyk

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