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Vorsicht, Höhle.

© ZDF

"Die Toten von Hameln": Das ZDF jazzt den Rattenfänger-Stoff zum Mystery-Thriller hoch

Blair Witch Project am Ith: Julia Koschitz und Bjarne Mädel suchen "Die Toten von Hameln". Das Dritte Reich darf auch nicht fehlen.

Kein Mensch liest heutzutage noch Märchen und Sagen? Denkste! Der „Rattenfänger von Hameln“ zum Beispiel ist eine der bekanntesten deutschen Sagen, wurde in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Es wird geschätzt, dass mehr als eine Milliarde Menschen die Geschichte von dem wunderlichen Mann in buntem Tuch kennen, der sich für einen Rattenfänger ausgab, indem er der Stadt Hameln versprach, gegen ein gewisses Geld die Stadt von allen Mäusen und Ratten zu befreien. Besonders in Japan und in den USA gehört die Sage zum Unterrichtsstoff. Zeit für einen zeitgemäßen Fernsehfilm also, nachdem der Rattenfänger-Stoff in den 1970ern mal durchs Kinderprogramm waberte.

Ein bisschen weniger wäre in diesen Fall aber mehr gewesen. Der Mystery-Thriller „Die Toten von Hameln“ erzählt in einem recht gewagten Mix von uralter Sage, blutigem Ende des Dritten Reichs, Lolita-Stoff, Coming-of-Age-Problematik sowie einer instabilen Familie von heute. Gemeinsam schrieben die renommierte Autorin Annette Hess („Weissensee“) zusammen mit Schwester Christiane Hess das Skript. Die Chorleiterin Johanna Bischoff fährt in Begleitung des Organisten David Fernandez mit Mädchenchor zu einem Konzert in ihre Heimatstadt Hameln. Beim Besuch ihres Vaters Georg, Bürgermeister a. D., und dessen Schwester Charlotte, bei denen Johanna aufgewachsen ist, wird sie von einer erschreckenden Vision heimgesucht. Sie sieht sich als Kind in ihrem Elternhaus einem Toten gegenüber. Kurz vor dem Auftritt verschwinden bei einer Wanderung vier der Mädchen und David in einer Höhle des Ith, dem sagenumwobenen Berg, in den vor 700 Jahren jener Rattenfänger die Kinder geführt haben soll. Hilfesuchend wendet sich Johanna an ihren Ex-Freund Jan Faber, Polizeirevierleiter in Hameln. Eine fieberhafte Suche nach den Verschollenen in den Höhlen und Wäldern des Ith beginnt.

Immerhin, dem fundierten Schauspieler-Ensemble, allen voran Julia Koschitz, Matthias Habich und Bjarne Mädel („Der Tatortreiniger“), folgt man als Zuschauer gerne. Regisseur Christian von Castelberg („Der Tote im Spreewald“) und Kamerafrau Eeva Fleig geben sich viel Mühe, neblige Waldeshöhen und fachwerkstädtische Enge gruselig in Szene zu setzen. Akte X in Niedersachsen. Die unheimlichen Fälle des Polizeireviers Hamlen. Blair Witch Project am Ith. Da wabert und dräut’s an jeder Ecke.

Was lernen wir: Rattenfänger gab es nicht nur im 13. Jahrhundert, als adelige Grundherren jugendlichen Nachwuchs für die Kolonialisierung ihrer Ostgebiete suchten. Rattenfänger spielten auch um die Mitte des 20. Jahrhunderts mächtig auf. Und deutsche Familien tragen bis heute den Schaden in sich. Das kann gerne auch in den Schulunterricht.

„Die Toten von Hameln“, Montag ZDF, 20 Uhr 15

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