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Medien: Die Unruhe vor dem Sturm

Von Ulrike Simon Nach der Fusion ist vor dem Relaunch. Die jetzt gemeinsame Redaktion der „Welt“ und der „Berliner Morgenpost“ kommt nicht zur Ruhe.

Von Ulrike Simon

Nach der Fusion ist vor dem Relaunch. Die jetzt gemeinsame Redaktion der „Welt“ und der „Berliner Morgenpost“ kommt nicht zur Ruhe. Erst wurden die beiden Redaktionen zusammengelegt. Wochenlang klagten die Mitarbeiter über ihre Angst um den Arbeitsplatz, die Unsicherheit und das Ellenbogen-Denken. Ende des Jahres soll das neue Redaktionssystem da sein. Und in wenigen Wochen, wenn sich die ganze Welt nur um den Fußball dreht, wird die „Berliner Morgenpost“ neu erscheinen. Mit anderer Schrift, anderer Optik, vor allem aber inhaltlich wird sich einiges ändern.

Der Zeitpunkt, die Fußball-WM, wurde deshalb gewählt, weil die „Berliner Morgenpost“ dem Sport künftig eine besondere Bedeutung beimessen wird. Aus dem Gleichgewicht werden aber vor allem die übrigen Ressorts geraten: Wer künftig wissen will, was es Neues vom Bochumer Schauspielhaus gibt, wird sich von der „Mopo“ nicht mehr ausreichend informiert fühlen. „Der Kulturteil wird nutzwertiger“, sagt Chefredakteur Wolfram Weimer. Das Feuilleton macht Veranstaltungstipps und -berichten Platz, vor allem jenen aus Berlin mit all seinen Bezirken. „Nachrichtendichter“ werde die Zeitung, sagt Weimer außerdem, man könnte auch sagen, sie werde „kleinteiliger“. Der Fortsetzungsroman verschwindet, ebenso die Medienseite. Nur Fernsehtipps wird es noch geben. Ansonsten bekommen Show, Klatsch und Tratsch mehr Raum. Vor allem aber wird die Lokalberichterstattung ausgebaut. Die jetzt 75 Lokalredakteure bekommen zum einen ein dickeres Berlin-Buch, das dann zehn statt der bisher sechs Seiten zählt. Zum anderen wird sich der lokale Aspekt durch Politik, Wirtschaft, also durch das gesamte Blatt ziehen. Wo immer es geht, bekommt der Berlin-Bezug Vorrang. Und es wird künftig Bezirksseiten geben mit Berichten aus den Kiezen.

Vor der Fusion der Redaktionen von „Berliner Morgenpost“ und „Welt“ dachte Wolfram Weimer, die Sache mit dem Personalabbau werde leichter zu lösen sein als die Frage, wie eine einzige Redaktion zwei Zeitungen machen soll, räumt er im Nachhinein ein. Fest stand zunächst die Größe der Mannschaft: am Ende sollten es 350 Leute sein. Nicht weniger, vor allem aber nicht mehr. 150 Leute, oder umgerechnet Personalkosten in Höhe von jährlich gut 15 Millionen Euro, spart der Verlag und erhofft sich zusätzliche Erlöse durch Synergien, etwa durch die neue, gemeinsame Anzeigenleitung.

Am Ende, schätzt Weimer, wird ein Drittel der 150 Leute innerhalb des Konzerns woanders arbeiten, rund ein Drittel wird in Altersteilzeit gegangen sein, das restliche Drittel den Verlag mit Abfindungen verlassen haben. Mit 36 Leuten wird noch verhandelt, doch auch bei ihnen sei eine einvernehmliche Lösung absehbar. Dem Verlag war klar, dass er tief in die Kasse greifen muss, um Abfindungen zu zahlen. Das meiste hat er deshalb schon in die Bilanz des Vorjahres mit einberechnet. Verluste in Höhe von 198 Millionen Euro schrieb Springer 2001. Das letzte Jahr vor dem Amtsantritt von Vorstandschef Mathias Döpfner war das erste seit der Verlagsgründung, in dem rote Zahlen geschrieben wurden.

Die neue Redaktion besteht jetzt je zur Hälfte aus ehemaligen Nur-„Welt“- und ehemaligen Nur-„Morgenpost“-Redakteuren. Das bedeutet, die „Morgenpost“-Redaktion musste deutlich mehr Federn lassen. Weimer, Chefredakteur beider Zeitungen, und Jan-Eric Peters, Weimers für die „Mopo“ zuständiger Stellvertreter, begründen diesen Umstand damit, dass die „Welt“ ihren Strukturwandel schon vollzogen hatte – sie wurde bereits unter Chefredakteur Döpfner komplett umgekrempelt. Nur bei der „Morgenpost“ habe es noch diese tiefen Verkrustungen gegeben, sagt Weimer. Nun werde das Blatt automatisch jünger.

„Welt“, „Berliner Morgenpost“ und „Welt am Sonntag“ wollen bis Ende 2003 schwarze Zahlen schreiben. Bilanztechnisch werden die Verluste und Gewinne der drei künftig zusammengerechnet. Es wird weiter gespart. Die Schlussredaktion steht auf dem Prüfstand. Texte nochmals zu überarbeiten, das wird künftig Sache der Ressorts sein. Und noch eine Sache wird diskutiert: Warum nicht auch die „Welt am Sonntag“ mit der „Welt“-/„Mopo“-Mannschaft zusammenlegen? Es scheint eine Frage der Zeit und des Chefredakteurs zu sein. Einen gemeinsamen Verlagsgeschäftsführer, einen gemeinsamen Sportchef und einen gemeinsamen Chef vom Dienst haben die drei Zeitungen jetzt schon. Nach der Fusion ist vor der Fusion.

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