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Weizenbaum

© dpa

Internetkritiker: Joseph Weizenbaum ist tot

Er war einer der Pioniere einer Gesellschaftskritik über den Umgang mit Computern. Joseph Weizenbaum warnte vor dem Internet als Bildungsersatz.

Der amerikanisch-deutsche Computerforscher Joseph Weizenbaum ist tot. Der 85 Jahre alte Wissenschaftler starb am Mittwoch nach schwerer Krankheit in Berlin.  Weizenbaum war einer der weltweit bekanntesten Kritiker eines bedenkenlosen Computereinsatzes. Er warnte vor einem blinden Fortschrittsglauben und sagte über sich selbst einmal: "Ich bin kein Computerkritiker. Computer können mit Kritik nichts anfangen. Nein, ich bin Gesellschaftskritiker."

Die Suchmaschine ist das Gegenteil von Bildung

Seit den 1970er Jahren trat Weizenbaum zunehmend als Gegner einer kritiklosen Zukunftsgläubigkeit auf. So nannte er das Internet einen "Schrotthaufen", der den Menschen zur Selbstüberschätzung verführe. Das Datennetz enthalte viele überflüssige, bruchstückhafte oder gar falsche Informationen. Zum Inhalt der Webseiten sagte Weizenbaum: "Es ist ein Misthaufen. 90 Prozent sind Schrott, es finden sich aber auch ein paar Perlen und Goldgruben."

Der naive Umgang mit Computern könne zu dem Trugschluss führen, diese seien imstande, alle Fragen zu beantworten. "Etwas aber in eine Suchmaschine einzugeben und das Ergebnis auszudrucken, das ist das Gegenteil von Bildung." Das Internet sei dem Fernsehen sehr ähnlich geworden. Die Proportionen von sinnvollen, interessanten Sendungen und der riesigen Menge blanken Unsinns seien in beiden Medien vergleichbar.

Als Spezialist für Computersysteme forschte und lehrte er am MIT in Boston

Weizenbaum war jedoch zugleich ein in der Öffentlichkeit viel beachteter Pionier der Computertechnik. Er baute Hardware und schrieb auch die Programme zu deren Steuerung. Berühmt wurde Weizenbaum besonders mit einem Programm namens ELIZA, das den Anschein erweckte, es könne mit dem Menschen kommunizieren. Als Psychologen meinten, einen Teil von psychologischer Beratung auf diese Weise automatisieren zu können, wurde Weizenbaum aufmerksam auf die teils überzogenen Erwartungen an die Künstliche Intelligenz.

Er schrieb dazu mehrere Bücher, darunter bereits 1976 sein Hauptwerk "Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft" sowie später "Wer erfindet die Computermythen? Der Fortschritt in den großen Irrtum" und "Wo sind sie, die Inseln der Vernunft im Cyberstrom? Auswege aus der programmierten Gesellschaft". Zudem hielt er zahlreiche Vorträge und bekam viele Auszeichnungen. Er warnte vor einer wachsenden Unübersichtlichkeit immer stärker vernetzter Computersysteme.

Der am 8. Januar 1923 in Berlin geborene Weizenbaum war 1935 mit seiner jüdischen Familie nach Erlass der Rassengesetze durch die NS-Diktatur in die USA geflohen. Bereits während seines Mathematikstudiums beschäftigte sich Weizenbaum mit dem Bau eines
digitalen Computers. Dieses Arbeitsgebiet sollte er dann in verschiedenen Facetten mitgestalten. Später arbeitete in der Industrie und wurde 1963 ans berühmte Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge berufen. Von 1970 bis zu seiner Emeritierung 1988 lehrte und forschte er dort als Professor für Computer Science. Seit 1996 lebte Weizenbaum wieder in Berlin. (ml/dpa)

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