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Smartphones der Firma Blackberry sind zurzeit günstiger als die Konkurrenz von Apple.

© dapd

Krawalle in London: Englands Jugend organisiert sich mit Blackberrys

Die Unruhen in Großbritannien werden vor allem über das kostenlose Chatprogramm von Blackberry organisiert. Deshalb interessiert sich nun die Polizei für die Botschaften.

Nein, das Internet ist nicht schuld an Ausschreitungen wie in London. Aber das Internet ist das derzeit mächtigste Instrument, um Menschen zu vernetzen und zu koordinieren. Daher nutzen selbstverständlich auch diejenigen dieses Instrument, die sich in den vergangenen Nächten dazu verabredeten, in London und anderen britischen Städten Autos anzustecken und Geschäfte zu plündern.

Allerdings gibt es eine Besonderheit zu bisherigen Massenverabredungen wie beispielsweise in Ägypten. Dieses Mal geschahen sie nicht via Facebook oder Twitter. Zwar war eine der ursprünglichen Keimzellen eine Facebookseite in Erinnerung an Mark Duggan, den unter unklaren Umständen bei einer Schießerei mit der Polizei Getöteten, dessen Tod als Auslöser der Krawalle gilt. Doch für die wütenden britischen Jugendlichen ist das Mittel der Wahl vor allem ihr Blackberry.

Hierzulande gelten diese Geräte als Ausstattung für Manager und nicht unbedingt als cool. In Großbritannien aber sind sie unter Jugendlichen sehr verbreitet – vor allem aufgrund des Dienstes Blackberry Massenger (BBM).

BBM ist ein Chatsystem. Kontakte können dazu eingeladen werden, anschließend können die Inhaber wie sonst auf Chatplattformen miteinander Textbotschaften austauschen. Das Einladen von Kontakten ist dank der Blackberry-PIN unkompliziert. Jedem Gerät ist eine solche eindeutige Nummer zugeordnet. Sie kann genutzt werden, um ein Gerät im Messenger zu finden und als Kontakt zum Chat hinzuzufügen. Viele Jugendliche haben ihre PIN mit Hilfe von Facebook und Twitter verbreitet, so den Kreis der Chatter schnell erhöht und soziale Netzwerke geschaffen.

Theoretisch sind die darüber verschickten Botschaften verschlüsselt und damit für Außenstehende nicht zugänglich. Auch das mag die Nutzung während der Krawalle befördert haben. Allerdings hat der kanadische Hersteller der Blackberrys, Research in Motion (RIM), schon in der Vergangenheit gezeigt, dass er mit Regierungen kooperiert, um diese Verschlüsselung zu umgehen.

Blackberry erklärte am Montagabend unter anderem via Twitter, das Unternehmen werde bei den Ermittlungen in vollem Umfang kooperieren. Es gebe bereits Kontakt zur britischen Polizei, zitiert die Zeitung Guardian den für Großbritannien zuständigen RIM-Regionaldirektor Patrick Spence. Ob das auch bedeutet, dass RIM die verschlüsselten Botschaften seiner Kunden für die Polizei entschlüsselt, sagte er nicht.

Die britische Polizei hat ein erhebliches Interesse an den BBM-Botschaften, denn sie erhofft sich davon, die Aufrührer dingfest zu machen. Wie der Guardian berichtet, hat die Metropolitan Police bereits Ermittlungen begonnen. Die Zeitung zitiert einen stellvertretenden Leiter der Behörde, Deputy Assistant Commissioner Steve Kavanagh, mit den Worten: "Um dieses Ausmaß an Gier und Kriminalität zu organisieren, wurden social media und andere Methoden eingesetzt." Auf die Frage, ob entsprechend ermittelt werde, habe er geantwortet: "Allerdings!"

Auch Scotland Yard versicherte demnach, dass man jene, die "aufrührerische Botschaften" verschickt haben, suchen und verhaften werde.

Möglich zumindest wäre es. Privatkunden erhalten von RIM nur eine unvollständige Verschlüsselung. Ihre Nachrichten sind nicht von ihrem Gerät bis zu dem des Empfängers kodiert, sondern nur auf dem Weg von ihrem Gerät zum Server von RIM. Dort werden sie wieder entschlüsselt, beispielsweise um Spam aussortieren zu können. Trotzdem gelten die Nachrichten oft als sicher – möglicherweise in Unkenntnis der Technik. Denn nur Firmenkunden können ihre Botschaften vollständig kodieren, wenn sie eigene Server zum Versenden nutzen.

Für die Jugendlichen ist der eigentliche Vorteil aber ein anderer. Im Gegensatz zu SMS ist BBM kostenlos. Das sind Facebook und Twitter zwar auch, doch beide sind vor allem für iPhones und für Android-Geräte optimiert. Die aber sind aufgrund der hohen Kosten unter britischen Jugendlichen weniger beliebt.

Laut einer Studie von Ofcom, der britischen Regulierungsbehörde für Telekommunikation, haben sehr viel mehr Jugendliche Blackberrys als Android-Smartphones oder teure iPhones. Vor allem bei Mädchen sind sie angesagt: 44 Prozent der weiblichen Smartphone-Nutzer kaufen sich demnach Blackberrys.

Quelle: zeit.de

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