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Doku: Völkermord verhindern

„Schlimmer als Krieg“ – der Film zu Daniel Jonah Goldhagens provokantem Buch über die Gräuel der Völkermörder

„Leute in Stücke zu hacken, ist leichter als einen Baum zu fällen. Man hackt mit der Machete, der Mensch fällt hin. Man hackt ihn in Stücke, und man geht weiter.“ Das sagt ein reuiger Mörder aus Ruanda. Einer von hunderttausenden Hutus, die 1994 systematisch ihre TutsiLandsleute niedermetzelten. In Anwesenheit von UN-Truppen wurde nahezu eine Million Menschen abgeschlachtet. Männer, Frauen, Kinder, Babys – von der Hutu-Propaganda als „gefährliches Gewürm und Ungeziefer“ bezeichnet – wurden mit einer Brutalität hingerichtet, die weit über einen Mordakt hinaus ging.

Der ostafrikanische Genozid steht in einer Reihe vergleichbarer Ereignisse. Von der Massentötung der Armenier durch die Türken, über die antijüdische Vernichtungsmaschinerie der Nazis bis zu den Völkermorden in Bosnien und Darfur. Rund 100 Millionen Menschen wurden im letzten Jahrhundert Opfer von Völkermorden. Mehr als in allen Kriegen getötet wurden – und immer vor den Augen der Weltöffentlichkeit.

Der amerikanische Politologe Daniel Jonah Goldhagen hat dem Genozid den Krieg erklärt. Der Wissenschaftler, der vor 13 Jahren mit seinem Werk „Hitlers willige Vollstrecker“ für Kontroversen sorgte, macht sich für militärische Interventionen im Namen der Menschlichkeit stark. In seinem Buch „Schlimmer als Krieg – Wie Völkermord entsteht und wie er zu verhindern ist“ beschreibt er nicht nur die Ursachen, sondern präsentiert Lösungsvorschläge.

Im Dokumentarfilm legt er seine Thesen bildlich dar. Die deutsche Fassung der US-Doku, an der der NDR als Koproduzent beteiligt war, konzentriert sich auf eine überschaubare Zahl von Genoziden. Neben Ruanda sind das die Völkermorde in Guatemala, in Deutschland und im ehemaligen Jugoslawien. Goldhagen wählt eine sehr persönliche Ansprache der Zuschauer und stellt sich selbst in dem Mittelpunkt. Weltweit besucht er Stätten von Massakern, spricht mit Opfern, Forschern, Politikern und Tätern.

Das Ergebnis ist eine fundierte Analyse. „Die Täter sind keine Wahnsinnigen. Das Töten ist eine bewusste Entscheidung“, resümiert Goldhagen. Er weist darauf hin, dass ein Genozid nicht spontan entsteht, sondern mit kaltherzigem Kalkül geplant wird. Vehement greift Goldhagen die UN an, die er als „bankrott“ bezeichnet. „Die Institutionen, die Völkermord verhindern sollen, funktionieren nicht.“ Stattdessen fordert er eine „Wächterorganisation demokratischer Staaten“, ohne deren Befugnisse zu konkretisieren. Er postuliert, dass „moralisches Gesetz über internationalem Gesetz“ steht. Eine problematische These, die – ganz in Goldhagens Sinne – Kontroversen provoziert. Jan-Rüdiger Vogler

„Schlimmer als Krieg“, Sonntag, ARD, 23 Uhr 50

Jan-Rüdiger Vogler

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