zum Hauptinhalt

Medien: Drei Emmys für Dr. Skrupellos

Die US-Serie „Nip/Tuck“ kommentiert ironisch die Welt der Schönheitschirurgie

Selten waren sich Fernsehproduzenten in ihren Prognosen so einig. Selten haben sie sich so geirrt. Es sei nur eine Frage der Zeit, wann die Welle der Schönheits- OP-Shows über Deutschland hereinbreche, sagte Christiane Ruff („Nicola“) im Sommer, als sie zusammen mit den Kollegen Borris Brandt („Big Brother“) und Ute Biernat („Deutschland sucht den Superstar“) beim Fernsehfilmfest Cologne Conference auf einem Podium saß. Biernat pflichtete ihr bei, ihre Firma hatte bereits die Rechte am US-Format „The Swan“ gekauft. Und Borris Brandt kündigte an, dass er Schönheitsoperationen in sein Langzeit-„Big Brother“ einbauen wollte, dabei lachte er süffisant, denn er freute sich schon darauf, dass die empörten Medien wieder für kostenlose PR sorgten.

Brandt bekam die operative Verschönerung seiner Containerinsassen von der Kommission für Jugendmedienschutz schlicht verboten, Biernats „The Swan“ wurde verschoben. Seit November läuft die Verschönerungsshow nun. Heute und morgen kommen die letzten Folgen. „The Swan“ läuft mäßig, nicht wirklich schlecht, was Pro 7 schon als Erfolg deutet. 1,86 Millionen Zuschauer schauen durchschnittlich zu (Marktanteil 13,3 Prozent). Immerhin hebt es den Senderdurchschnitt. Anders als die Schönheitschirurgie-Serie „Beauty Queen“, die RTL nach vier Folgen auslaufen ließ.

Heute abend nimmt Pro 7 die US-Serie „Nip/Tuck“ ins Programm. Dabei schien doch der unselige Schönheits-OP-Trend eigentlich schon überstanden. „Nip/Tuck“ ist das US-Vorbild von „Beauty Queen“, was erst einmal nichts Gutes verheißt, aber da irrt man sich. Die Serie über den bösartigen Schönheitschirurgen Dr. Christian Troy (Julian McMahon) ist der wahre Nachfolger des Großstadt-Single-Kults „Sex and the City“, auf deren Sendeplatz sie steht. Der Schauplatz wechselt von New York nach Miami. Im Florida von „Nip/Tuck“ geht es abgründiger und gewalttätiger zu als im Manhattan von Carrie und ihren Freundinnen, und im Geschlechterspiel wechselt die Perspektive: Die Hauptrollen sind für Männer reserviert, die als Schönheitschirurgen eine erhebliche Macht vor allem über Frauen ausüben. Der Humor wird zynischer, die Bilder drastischer. Gleich zu Beginn setzt Troy ein Gesäßimplantat falsch herum ein. Als sein Partner Sean McNamara (Dylan Walsh) dies bemerkt, ruft Troy fröhlich: „Da hast du mir schon wieder den Arsch gerettet.“ „Und ihren“, ergänzt Anästhesistin Liz Cruz (Roma Maffia) trocken, während sie auf die ahnungslose Patientin deutet.

Das Zentrum der Handlung, die exzellent laufende Praxis von Troy/McNamara, bietet Raum für jede Menge bizarrer Geschichten. Während McNamara das Silikon-Polster richtig herum in die Pobacke schiebt, wartet nebenan zum Beispiel ein kolumbianischer Drogendealer, der sich auf der Flucht vor seinem ehemaligen Boss ein neues Gesicht wünscht. Der attraktive, allein stehende Troy ist bei der Wahl seiner Kundschaft nicht wählerisch, solange sie viel Geld hat oder sexy ist. Er bevorzugt auch den direkten Weg, Kundinnen zu werben: von der Bar ins Bett und auf den OP-Tisch. Mit rotem Lippenstift zeichnet er imaginäre Problemzonen auf den eigentlich perfekten Model-Körper seiner neuen Eroberung und flüstert ihr ins Ohr: „Wenn du nicht mehr nach Vollkommenheit strebst, ist dein Leben nichts mehr wert.“ Sein Partner McNamara dagegen ist ein braver Familienvater, der von Zweifeln an seinem Job geschüttelt wird und dessen Ehe mit Julia (großartig: Vanessa-Redgrave-Tochter Joely Richardson) gerade in die Brüche geht.

Bereits in der temporeichen Pilotfolge bekommen der unverschämte Macho- Charme Troys und die guten Vorsätze McNamaras Risse, doch neben den interessanten Figuren besticht die in drei Kategorien für den US-Fernsehpreis Golden Globe nominierte Serie durch eine kühle und stilvolle Ästhetik. Regisseur und Produzent Ryan Murphy inszeniert fulminant das Treiben hinter den Fassaden der Schönheitsindustrie: Wenn im OP-Saal die Skalpelle im Rock’n’Roll- Rhythmus ins Fleisch schneiden; wenn das Blut spritzt, während Mick Jagger „Paint It Black“ singt, so ist das ein drastischer, aber angebrachter Kommentar auf die vermeintlich saubere Welt der Schönheits-Versprechungen. Schade eigentlich, dass es heute nur ein einziges Mal zu dem Aufeinandertreffen von „Nip/Tuck“ – was soviel heißt wie: die Haut aufklappen und wieder zusammennähen – und der pseudo-dokumentarischen Gefühlspampe von „The Swan“ kommt.

„Nip/Tuck“: 21 Uhr 15, Pro 7; „The Swan“ heute 22 Uhr 45 und morgen 20 Uhr 15.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false