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© NDR Presse und Information

Dreieinhalb Jahre nach der Flucht: Licht ins Dunkel

3096 Tage Gefangenschaft: Eine ARD-Doku zeigt, wie Natascha Kampusch ihre Entführung erlebte

„Anfangs habe ich noch die Sekunden gezählt“, sagt Natascha Kampusch am Anfang des Films. Es wurden achteinhalb Jahre, die sie in einem dreifach gesicherten, schallisolierten Kellerverlies verbringen musste. „3096 Tage Gefangenschaft“ ist der Titel der Dokumentation, die der Autor Peter Reichard, der einst Polizist in Hamburg war, zusammen mit der Regisseurin Alina Teodorescu dreieinhalb Jahre nach Natascha Kampuschs Flucht gedreht hat. Sie beginnt mit dem Tag der Entführung im März 1998, beschreibt die große Suchaktion der Polizei, bei der einige Pannen passieren, und zeigt erstmals Filmaufnahmen aus dem engen Kellerraum, den tropfenden Wasserhahn, den schnarrenden Ventilator.

Es sind vor allem die Details, die verstören: Wolfgang Priklopil, den Kampusch nur „Täter“ oder „Entführer“ nennt, hatte einen Sauberkeitswahn. Wenn er seine Gefangene mit nach oben in seine akkurat aufgeräumten Wohnräume nahm, musste sie ihr Haar zusammenbinden und darüber eine Plastiktüte tragen. Er verbot ihr zu weinen, damit ihre Tränen nirgendwo Salzränder hinterließen. Wenn sie durch die Jalousien blickte, schlug er sie. Dass Priklopil psychisch gestört war, hatte sein Opfer offenbar bald erkannt. „Im Grunde habe ich ihm all die Demütigungen schnell verziehen, sonst wäre es vor Hass gar nicht auszuhalten gewesen“, sagt sie mit dieser ruhigen, etwas monotonen Stimme, mit der die mittlerweile 21-Jährige die Ereignisse analysiert. „Es muss eine wahnsinnige Genugtuung für ihn gewesen sein, jemanden zu haben, der nur ihm gehört, und keiner wusste davon.“

Außer Natascha Kampusch kommt auch ihre Mutter zu Wort, die fälschlicherweise eine Zeit lang unter dem Verdacht der Mittäterschaft stand, zudem ein Freund von Priklopil, dem er sich am Tag von Nataschas Flucht offenbart hatte, bevor er sich vor die Wiener S-Bahn warf. Die Theorie, dass der Freund in die Entführung involviert gewesen sei, wurde vor kurzem endgültig ad acta gelegt. Auch der wiederaufgenommene Fall Kampusch, der durch verschiedene Fehler der Behörden zu schweren Erschütterungen bis in die Regierung Österreichs hinein sorgte, wurde Ende 2009 abgeschlossen. Kampusch, die of t für ihre häufigen Medienauftritte kritisiert worden war, erklärte bei der Präsentation des Films, sie erhoffe sich durch die „Außenperspektive“ eines deutschen Senders, „die Ereignisse ins richtige Licht rücken“ zu können.

Die 45-minütige Dokumentation geht tatsächlich sehr behutsam und minimalistisch mit der Geschichte um, spart allerdings den Medienrummel danach vollkommen aus. Kein Wunder, denn der Frage, wie Natascha Kampusch die Zeit nach ihrer Flucht erlebt hat, wird sich ein zweiter Teil widmen, kündigte Autor Peter Reichard an. Simone Schellhammer

„Natascha Kampusch – 3096 Tage Gefangenschaft“, 21 Uhr, ARD

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