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Willi Herren

© ddp

Drogenentzug im TV: Holt mich hier raus

Das Prinzip Help-TV: RTL zeigt den Drogenentzug von Willi Herren. Der abhängige Fernsehschauspieler inszeniert seine "Selbsttherapie".

RTL berichtet wieder aus dem Sumpf. Das ist prinzipiell nichts Neues, einzig, dass die Episoden „Willi Herren im Drogensumpf“ nicht im inszenierten Dschungel des Kölner Privatsenders stattfinden, sondern im Wirkungsbereich des abhängigen Fernsehschauspielers („Lindenstraße“). „Im Frankfurter Nachtleben“ zum Beispiel, in dem Herren selbst von seinem „Bodyguard und Freund“ nicht davon abgehalten werden kann, „sich jetzt bei einem Dealer neuen Stoff zu besorgen“, wie es auf der RTL-Website heißt.

Abhalten kann ihn auch das Team von RTL nicht, denn das hält mit der Kamera drauf. Zehn Folgen lang ist Herrens Entzug im Rahmen der Boulevard-Sendung „Explosiv“ zu sehen. Fünf Folgen sind geschafft, heute beginnt die zweite Woche.

Willi Herren, bekannt als „Olli“ aus der „Lindenstraße“ und RTL-Dschungel-Promi der zweiten Staffel, soll selbst auf den Sender zugekommen sein, um sich bei seinem Entzug filmen zu lassen. „Er sieht den RTL-Dreh als eine Art Selbsttherapie“, sagt RTL-Sprecherin Heike Schultz. Wenn er sozusagen „unter Dauerbeobachtung“ in Deutschland stehe, hoffe der Schauspieler, nicht rückfällig zu werden. „Zuerst dienten die Selbstaufnahmen nur dazu, mir vor Augen zu halten, dass ich eine schwere Krankheit habe“, schreibt Herren per E-Mail. Aber er wolle mit dem Video-Material auch Menschen dazu animieren, sich ihre Sucht einzugestehen und etwas dagegen zu unternehmen. Doch: Der Seelenstrip des Willi Herren vor laufenden Kameras gleicht einem Auffahrunfall auf der A9: Alle gucken, weniger Unfälle gibt es dadurch nicht – RTL nennt das Ganze „Mutmach-Geschichte“.

Die „Explosiv“-Serie erinnert an das US-Format „Celebrity Rehab“, das seit Anfang Januar beim Sender VH-1 zu sehen ist. Dort werden C- bis D-Prominente wie Sänger Shifty Shellshock bei ihrem Entzug gefilmt. Doch den Vergleich mit dem transatlantischen Pendant wiegelt die RTL-Sprecherin schnell ab: Derzeit sei nicht geplant, aus den Episoden ein Format zu entwickeln.

Sogar bei RTL scheint man sich zu fragen, worin der Anreiz für den Schauspieler liegt, sich Deutschland zu offenbaren. Immerhin bekomme Herren „nur eine Aufwandsentschädigung“. Der Nutzen für die Kölner TV-Macher ist da offensichtlicher: Seit geraumer Zeit schon geriert sich RTL zum Sender der Hilfesuchenden. Wer hierzulande „Raus aus den Schulden“ will, kann sich mittwochabends vorzugsweise von Peter Zwegat helfen lassen, wem zu Hause die schwer erziehbaren Kinder zu schaffen machten, der holte zuletzt die „Super Nanny“ – und schickt sie nun, als ultima ratio, zu Annegret Noble ins RTL-Bootcamp nach Oregon. Wem die Balge danach abhauen, lässt sie von Streetworker Thomas Sonnenburg („Die Ausreißer“) wieder von der Straße holen. Die sogenannten Help-TV-Formate sind allesamt erfolgreich; zwischen drei und fünf Millionen Zuschauern schalten jeweils ein.

Nach einer Mitteilung seines Sprechers, sollte Willi Herren ab Juli wieder in der „Lindenstraße“ zu sehen sein. Doch Hans W. Geißendörfer, Produzent der Serie, ist da nicht so sicher. Wie der Fernsehmacher mitteilen ließ, ist der weitere Einsatz des Schauspielers in der Serie unklar. „Herren steht bei uns zur Zeit nicht unter Vertrag, da seine Geschichte im Augenblick ruht“, heißt es. Ob er wiederkommt, hänge von seiner Gesundheit und den Autoren ab.

Zumindest bis Ende dieser Woche ist Willi Herren als Willi Herren bei RTL zu sehen. „Wie schlimm es um ihn wirklich steht und wie seine Familie daran mit zugrunde geht“, hieß es bei Serienstart auf der RTL-Website, „können wir zu diesem Zeitpunkt nur ahnen.“ Herren, natürlich, wusste da bereits, wie es um ihn steht: Die Therapie habe ihm geholfen, clean zu werden – „und dies soll jetzt auch für immer so bleiben“, schreibt er auf Anfrage.

Keine Frage, dass auch RTL es wusste. Aber „zugrunde gehen“, das klingt knackiger, dringlicher – und irgendwie klingt es dann auch nach einem neuen Format. Für den Sender der Hilfesuchenden.

„Explosiv – Das Magazin“, RTL, Mo. bis Fr., jeweils 18 Uhr

Tim Klimeš

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