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Medien: „Du bist auf dem besten Weg zum Original“

Eine Begegnung mit dem Schauspielerehepaar Nadja Tiller und Walter Giller, das für „Das Bernstein-Amulett“ gemeinsam vor der Kamera stand

Besucht hätte er seine Frau am Drehort ohnehin, und an so einem schönen erst recht. Na, und wenn er schon mal da ist, kann er doch gleich mitspielen. So erzählt Walter Giller, wie er an seine jüngste Rolle gekommen ist. Klingt unverfänglich, hübsch beiläufig und auch ein wenig komisch – deswegen erzählt er es ja.

Ganz so war es natürlich nicht, erzählt wiederum seine Frau Nadja Tiller. Die Filmfirma hat es sich gewünscht. „Die wollten uns unbedingt zusammen haben.“ Sie musste ihn schon ein bisschen überreden. „Wir machen das eigentlich nicht gern, das haben wir noch nie gern gemacht“, sagt sie. „Ist mir unangenehm“, sagt er. Was ist unangenehm? Der Vergleich? Eine Rolle größer als die andere, und das meist ihre? Nein. Eher dies: als Paar beobachtet zu werden. Als Paar sind sie am liebsten privat. In der Schweiz, in ihrem Haus am Luganer See. Weit weg von allem und anscheinend sehr zufrieden. Eine Perle namens Fanny führt den Haushalt, und das seit dreißig Jahren. Manchmal kocht die Hausherrin persönlich, „dann reisen wir nach Thailand oder Vietnam“, nennt ihr Mann das. Und stellt später klar: „Ich reise ja nicht gern.“

Für „Das Bernstein-Amulett“ machten Nadja Tiller und Walter Giller also gleich mehrere Ausnahmen: reisen, drehen und darüber sprechen. Die Geschichte geht zurück auf den gleichnamigen Roman von Peter Prange. Der Film hält, was sein courthsmahlerischer Titel verspricht. Eine tragische Liebesgeschichte umrankt ein Schloss und seine Besitzer. Eine ostdeutsche Familiensaga, chronologisch erzählt vom Zweiten Weltkrieg bis zum Bau der Mauer. Trivial, ergreifend, von allem viel zu viel und gelegentlich sehr anrührend.

Tiller und Giller spielen ein wohlsituiertes Elternpaar. Der Vater kommt bei einem Bombenangriff ums Leben, die Mutter, eine alternde Schauspielerin, sitzt im Rollstuhl. „Das fand ich ganz gemütlich“, gesteht Nadja Tiller im Gespräch vergnügt. „Wie kannst du denn so was sagen?“ Er ist entsetzt. Aber sie bleibt dabei. Es war gemütlich. „Also, ich würde nur noch im Rollstuhl drehen.“ Auch bei diesem Gespräch ist es wohl wie häufig bei den beiden. Er ist vor ihr da, hyperpünktlich. Genüsslich atmet Walter Giller den Zigarrenduft ein.

„Riechen Sie das?“ Offenbar ist die altmodische Bar des altmodischen Berliner Hotels Savoy ein guter Treffpunkt. Er trägt Jeans, ein ziemlich heiter kariertes Hemd. Seine Frau – weiße Hose, weißes T-Shirt, chanelartige Jacke, strahlend – kommt eine Viertelstunde später. „Sie ist Wienerin“, sagt er.

Gleich zu Beginn des Interviews erkundigt sich Giller nach der Wirkung des neuen Films: „Haben Sie geweint?“ Die Frage kommt ein wenig überraschend, aber im Lauf der Unterhaltung wird sie verständlich. Giller, Jahrgang 1927, ist gegen Kriegsende noch eingezogen worden. Er träumt bis heute jede zweite Nacht von Bombenangriffen, kann die Geräusche nicht vergessen. Umso erstaunlicher, dass er diese Rolle übernommen hat. Eine Zumutung. Wo er sich doch eigentlich nicht mehr so viel zumuten will.

Auch Nadja Tiller ist mutig, aber anders. Mutig war sie schon immer. Sie gehört zu den Schauspielerinnen, die eine Schönheitsoperation zugeben, und zu den ganz wenigen ihres Metiers, die ihr Geburtsdatum nie verheimlicht haben. Die 75-Jährige spielt im „Bernstein-Amulett“ eine in die Jahre gekommene Diva mit großem Herzen. Ihre Textzeilen könnten manchmal ihre eigenen Worte sein: „Im Leben braucht man Haltung, das habe ich im Theater gelernt.“ Das ist ein Satz, der beiden Schauspielern gefällt. Sie stirbt mit seinem Foto in den Händen.

Der Tod ist bei ihnen kein Tabuthema. Von Testament bis Patientenverfügung sind die Dinge geregelt. Auch der Wunsch, im Alter niemandem zur Last zu fallen – wann auch immer das sein mag. Niemand, damit sind vor allem ihre Kinder gemeint. Ihr Sohn lebt in Zürich, ihre Tochter mit Familie in Athen. Giller und Tiller haben sich längst in einem Seniorenstift in Hamburg eingekauft, Walter Giller ist in Hamburg aufgewachsen. Zwei Apartments an der Elbe sind vorbestellt, auch dies aus Rücksicht auf den anderen. Seit 53 Jahren sind sie zusammen, seit 48 Jahren verheiratet, sie gelten als eines der wenigen deutschen Traumpaare, auch wenn ihre Ehe nicht immer eine Musterehe war. Nadja Tiller hatte jahrelang einen Freund. „Ist doch normal, dass einem mal jemand anderes gefällt“, sagt er. Alles andere ist Schnee von gestern.

Ihre große Zeit waren die 50er und die 60er Jahre. Aber bekannt sind die beiden immer geblieben. Sie, die schöne Femme fatale, legendär als „Mädchen Rosemarie“, Miss Austria, Angebote von Fellini, Antonioni, Visconti – alle ausgeschlagen, weil ihr Mann dazu riet. Erstaunlicherweise wirft sie ihm das bis heute nicht vor. Und er, der Schlaksige im Smoking, dauerzerfurchte Miene, wollte nie Schauspieler werden, lieber Kinderarzt wie der Vater. Giller arbeitete an den Hamburger Kammerspielen zunächst als Beleuchter und Inspizient, war immer da, und weil er immer da war, konnte er immer den ganzen Text. „Und irgendwann durfte ich auf die Bühne“, erzählt er lakonisch. Diese schnoddrige Lakonie, sein Markenzeichen, ist geblieben. Keiner konnte so lässig auf einem Barhocker sitzen und plaudern. „Locker vom Hocker“ hieß seine Fernsehserie und traf jahrelang den Zeitgeist. „Komik ist der Weg zur Pointe“, war seine Philosophie.

Er grübelt gern, zweifelt im Gegensatz zu seiner unbeschwert wirkenden Ehefrau an Gott, der Welt, dem Film. Alles so banal. „Meins war eher das Theater.“ Und dann erzählt er schnell einen Witz, damit es nicht so ernst wird. Einen der ältesten Schauspielerwitze. Dialog zweier Schauspieler über „Schneewittchen und die sieben Zwerge“: „Ich habe da den vierten Zwerg gespielt.“ – „Den habe ich auch mal gespielt.“ – „Und wie hast du ihn angelegt?“ – „Hintergründig.“ Ein Klassiker. Er findet ihn immer noch gut, sie auch. Wahrscheinlich, weil er sich so freut. Weil es so uneitel ist, dass er ihn erzählt. Er nimmt sich nicht ernst, dann wieder sehr. Eine Gratwanderung. Wie sagte er immer bei „Locker vom Hocker“: Es bleibt schwierig.

Sie lachen viel. Auch über sich. Er kann zwischendurch sogar etwas völlig Abwegiges sagen wie: „Du bist auf dem besten Weg zum Original.“ Gerade er! Jede andere Frau würde bei so einem Satz vor Entsetzen vom Sessel rutschen. Sie nicht. Liebe? Vertrautheit? Toleranz? Egal, sie kennen sich am besten.

Eine Frage zum Schluss: Was hat Ihnen am anderen von Anfang an gut gefallen? Sie antwortet schnell: „Er hat mir gefallen.“ Er sagt: „Ihr Gesicht, die Beine.“ Und eine Eigenschaft? Pause. „Nach mehr als 50 Jahren wird dir doch eine Eigenschaft einfallen!,“ sagt sie. Er denkt nach, dann hat er es: „Ihr Lächeln!“ Keine Eigenschaft, aber schon besser. Und Walter Giller ist noch nicht fertig: „Das Lächeln ihrer Beine.“

„Das Bernstein-Amulett": heute und am Sonnabend um 20 Uhr 15 in der ARD

Carla Woter

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