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Medien: Eine jüdische Sitcom, geht das bei uns?

Wolfgang Menge hat die ersten Bücher für eine Serie fertig. Doch das Projekt liegt auf Eis – was aber keineswegs nur mit dem Thema zu tun hat

Herr Menge, worüber haben Sie sich in der letzten Zeit geärgert?

Zum Beispiel über einen Nebensatz, am letzten Sonntag gesagt in der „Tagesschau“, in einem Bericht über das HolocaustDenkmal in Berlin. Der Satz lautete: „Es wird an die Juden erinnert, die in Europa ermordet wurden.“ Das mögen viele normal finden. Ich nicht. Ich finde, da fehlt etwas.

Wir Deutschen haben eben immer noch kein normales Verhältnis zum Jüdischen.

Ich fände es aber schön, wenn wir langsam in eine Normalisierung des Verhältnisses zwischen Deutschen und Juden eintreten würden.

Sie haben eine Sitcom über Juden und Deutsche geschrieben. Wie kam es dazu?

Der ehemalige Fernsehspielchef des WDR, Gunter Witte, kam vor zwei Jahren zu mir und erzählte, dass die Colonia Media, Filiale der Bavaria Produktionsgesellschaft, gern eine jüdische Sitcom haben würde. Ein halbes Jahr später hatte ich dann die Idee mit Arthur und seiner jüdischen Mutter. Die ersten vier Bücher sind, wie im Vertrag vereinbart, abgeliefert. Aber, wie mir gesagt wurde, verfügt der WDR zur Zeit nicht über dafür passende 30-Minuten-Termine. So liegt die Sache zurzeit auf Eis.

Kein Pilotfilm, nichts?

Wie es aussieht, möchte Gisela Marx von filmpool gemeinsam mit Colonia Media eine Folge auf eigene Kosten drehen. Darüber wird in der nächsten Woche verhandelt.

Können Sie sich keine anderen Gründe vorstellen, warum es hakt?

Bei diesem Thema hakt es in Deutschland grundsätzlich. Noch schwieriger wird es, wenn Sie etwas völlig Neues anbieten. Die Sender wollen Quote, und wenn sie nicht auf ein Beispiel verweisen können, das etwas Ähnliches schon einmal woanders einen Quotenerfolg gehabt hat, dann wird es schwierig. Und für eine jüdische Sitcom im deutschen Fernsehen gibt es nun mal keine Beispiele.

Sie haben doch nicht freiwillig für den Papierkorb geschrieben.

Das sicher nicht. Aber ich hatte schon von Anfang an die Sorge, dass es so kommen könnte. Ich habe mir gesagt, wenn ich in meinem hohen Alter noch etwas mache, dann dies. Anderes interessiert mich nicht mehr. Aber noch ist ja nichts entschieden.

Warum haben Sie ausgerechnet eine jüdische Sitcom geschrieben?

Weil mich das Thema schon immer interessiert hat.

Wenn wir Sie jetzt outen, wäre das schon ein Teil des Dilemmas?

Überhaupt nicht. Es ist kein Geheimnis, dass ich eine jüdische Mutter habe, und wenn Sie meine Biografie im Munzinger-Archiv nachlesen, dann können Sie das gleich dem ersten Satz entnehmen. Nur habe ich nie einen Grund gesehen, herumzulaufen und es allen zu erzählen. Was ich will, sind normalisierte Verhältnisse.

Die haben wir aber - noch - nicht.

Aber wir machen Fortschritte. Auch wenn viele Deutsche immer noch Hemmungen haben, das Wort Jude nur auszusprechen. Aber die Zeit scheint reif für eine jüdische Sitcom. Gisela Marx hat mir geschrieben, warum sie versuchen will, die erste Folge mit der Colonia zu produzieren: „Abgesehen davon, dass die Figuren wunderbar, die Dialoge umwerfend sind und einem manchmal der Atem stockt, lernt man auch noch ’ne ganze Menge, auf diese Weise mit Vorurteilen, Ängsten und der ganzen Geschichte umzugehen.“

Ist das Thema Juden das letzte Tabu unserer Gesellschaft?

Es ist sicher immer noch tabuisiert. Das heißt, es ist kein normales Thema, kein Thema, wie jedes andere. Wir haben keine normalen Beziehungen zu dem Thema, wir können uns nicht normal darüber unterhalten. Das war für mich auch ein Grund, diese Sitcom zu schreiben. Wann muss ich schon mal länger als ein halbes Jahr nachdenken, bis mir eine Geschichte einfällt.

Kommt die Normalität von alleine, wenn man mehr voneinander weiß?

Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Was wissen wir denn schon von jüdischen Gebräuchen? Oder davon, wie die Juden die strengen Regeln umgehen?

Müssen wir die jüdische Kultur wirklich kennen lernen?

Ich glaube ja. Es geht doch um die Frage: Was macht uns die Juden so fremd?

Es geht Ihnen also um das ganz alltägliche jüdische Leben von heute. Nicht um die Aufarbeitung des Holocaust.

Der Holocaust spielt für meine Sitcom keine Rolle. Für den Zustand, um den es geht, ist er natürlich entscheidend. Ich gebe gern zu: Eine gewöhnliche Sitcom ist es nicht.

Eine Sitcom muss unterhaltsam sein. Wir wollen lachen.

Das ist in diesem speziellen Fall sicher nicht einfach, aber ich habe mein Bestes getan. Deshalb kommt in den ersten beiden Folgen so viel jüdische Kultur vor wie eben möglich. Man muss erst erklären, ehe man richtig einsteigen kann. Wer nicht weiß, wie etwa der Schabbat funktioniert oder welche Funktion eine Synagoge hat, der kann auch nicht darüber lachen, weil er den Witz nicht versteht. Ich will zeigen, dass das jüdische Leben ganz normal ist. Es klingt zwar vieles geheimnisvoll, aber das ist es nicht.

Die gläubigen Juden müssen sich an über 600 Gebote und Verbote halten, die ihr ganzes Leben regeln. Das ist doch lustig, oder?

Eben nicht. Sie können lustig sein, aber erst dann, wenn man diese Regeln kennt. Das ist genau das, was ich eben als Problem beschrieben habe. Man müsste wissen, wie viele Juden auch nur einige Gebote und Verhalten kennen und wie wenige sich danach richten. Und wie sie die Gebote, die sie kennen, wiederum umgehen. Woody Allen hat gesagt, dass man kein Schweinefleisch essen solle, sei doch nur ein Übersetzungsfehler. Im Originaltext stünde, dass man nur in bestimmten Restaurants kein Schweinefleisch essen dürfe.

Wenn Ihre Sitcom ein Erfolg wird: Sind wir dann das Thema endlich los?

Das wäre schön! Nein, los wären wir es sicher nicht. Aber vielleicht einen Schritt weiter in Richtung Normalität. Wenn Michel Friedman so behandelt würde, als wäre er Katholik, dann wäre ich zufrieden.

Wie wird die Sitcom heißen?

Mein Arbeitstitel lautet: Schalom. Aber über den endgültigen Titel denke ich nach, wenn ich ihn brauche.

Sind Sie sicher, dass Ihre Sitcom die Deutschen nicht überfordern wird. Schalom: eine Sitcom über ein ganz normales Volk?

Nicht über ein ganzes Volk, über ein paar Juden, die heute in Berlin leben. Aber ich bin mir nicht sicher, was die Reaktionen angeht. Hoffnung macht mir, dass viele meiner Filme erst verrissen und dann in den höchsten Tönen gelobt wurden, „Millionenspiel“ zum Beispiel.

Waren Sie reif für das Projekt, oder war die Zeit reif?

Wenn, dann war ich reif. Ob die Zeit reif war, das weiß man vorher nie.

Wäre es Ihr größtes Glück, wenn Ihre Sitcom noch vor der Eröffnung des Berliner Holocaust-Mahnmals ins Fernsehen käme?

Das Mahnmal interessiert mich nicht. Außerdem nimmt es Parkplätze weg. Die Frage nach meinem größten Glück habe ich schon vor vielen Jahren der „F.A.Z“ erschöpfend beantwortet: ein Nachmittag beim Friseur.

Originell, aber gelogen.

So ist es.

Das Gespräch führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

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