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Medien: Ende einer Zeitung

Nach dem Abhörskandal wird Murdochs’ „News of the World“ eingestellt

Mit einem Befreiungsschlag will der amerikanische Medienmogul Rupert Murdoch die Krise um seine Sonntagszeitung „News of the World“ (NOWT) und ihre Lauschangriffe beenden. Am kommenden Sonntag soll die Zeitung zum letzten Mal erscheinen – der Erlös der letzten Ausgabe komme wohltätigen Zwecken zugute, teilte James Murdoch am Donnerstag mit, der Sohn und wahrscheinliche Nachfolger von Unternehmenschef Rupert Murdoch.

James Murdoch gab die überraschende Entscheidung vor der Redaktion bekannt und sagte: „Die guten Dinge, für die unsere Zeitung steht, sind durch Verhalten beschmutzt worden, das falsch war. Wenn die jüngsten Vorwürfe stimmen, war das Verhalten auch unmenschlich. Dafür ist in unserem Unternehmen kein Platz.“ Die Aufgabe der Zeitung sei, andere zur Rechenschaft zu ziehen. Als es um uns selbst ging, scheiterten wir dabei.“

Die Website der Zeitung veröffentlichte eine Erklärung von NewscorpChef und Verleger Rupert Murdoch. Darin wies er die Redaktion erneut an, eng mit der Polizei bei den Ermittlungen zusammen zu arbeiten. Murdoch stellte sich aber auch hinter die Chefin seiner britischen Holding News International Ltd., Rebekah Brooks, deren Rücktritt LabourChef Ed Miliband gefordert hatte. Sie war eine frühere Chefredakteurin der Zeitung. Miliband erklärte, auch nach der Schließung der Zeitung müssten alle Verantwortlichen des Skandals vor Gericht gestellt werden.

Am Donnerstag wurde zudem bekannt, dass Journalisten der NOTW mehr als 100 000 Pfund Bestechungsgelder für Informationen an korrupte Scotland-Yard-Polizisten bezahlten. Die Genehmigung dafür soll der Nachfolger Brooks als Chefredakteur, Andy Coulson, gegeben haben. Er war bis Januar Kommunikationschef von Premier David Cameron, musste dann aber wegen des Skandals zurücktreten. Die Liste derer, die möglicherweise Opfer der illegalen Hack-Angriffe der Zeitung und ihrer Privatdetektive und Journalisten wurden, soll inzwischen 4000 Namen umfassen. 

Der strategische Grund für die rasche Reaktion der Murdoch-Gruppe ist klar. Murdoch will Schaden von der weiteren Expansion seiner Gruppe in Großbritannien und anderswo abwenden und vor allem die Übernahme des Bezahl-TV-Senders BSkyB retten, die in Gefahr ist. Analysten hatten von einem „BP“-Augenblick für den Murdoch- Konzern gesprochen. So wie der Ölkonzern BP von dem katastrophalen Leck im Golf von Mexiko fast in die Knie gezwungen wurde, ist der NOTW-Skandal dabei, die Murdoch-Gruppe und ihre Expansionspläne zu untergraben. Murdoch kontrolliert 37 Prozent der britischen Zeitungen und das gesamte britische Bezahlfernsehen – und hat viele Feinde.

Am Donnerstag waren die Aktien von Murdochs Bezahlsender BSkyB weiter gesunken. Murdoch, der bereits die Stimmmehrheit in dem Sender hat, will die anderen Aktionäre auskaufen und BSkyB in seine Holding integrieren. Doch der Skandal, der sich mit neuen Vorwürfen weiter verschärft, führte dazu, dass die Regierung die Genehmigung bereits aufschob. Vor allem Labour will Murdochs Einfluss bremsen, seitdem sich Murdochs Flaggschiff „Sun“ 2009 nach zwölf Jahren strammer Unterstützung für Labour den Tories zu wandte. Unter Druck steht auch Premier David Cameron, dem man nun die gleiche Nähe zu Murdoch vorwirft wie einst dem früheren Labour-Premier Tony Blair. Cameron hatte schon am Mittwoch eine unabhängige Untersuchung der journalistischen Arbeit der NOTW  und der gesamten journalistischen Kultur in Großbritannien angekündigt. Mit einer Druckauflage von 2,7 Millionen war die NOTW die auflagenstärkste englischsprachige Zeitung in der Welt und erregte bei den Boulevardkollegen Neid, Bewunderung und Furcht. Die Zeitung hat eine stolze 169-jährige Tradition. Murdoch erwarb sie 1969 von einem anderen Medienzaren, Robert Maxwell, und sie war sein erstes Bein in der Tür der legendären „Fleet Street“ – jener Straße in London, in der zahlreiche Zeitungsredaktionen beheimatet sind. Der Skandal um die britische Medienkultur wird weitergehen, auch andere Zeitungen erfassen und die Frage der britischen Medienregulierung neu aufwerfen.

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