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Medien: Falscher Ehrgeiz

Thomas Gottschalk will Late-Night-Talker sein

Oliver Kahn sei im Herbst seiner Torwartkarriere. Hat Franz Beckenbauer gesagt. Kahn ist 35. Er fletschte die Zähne, nachdem der Satz gefallen war. Thomas Gottschalk ist 54, und er ist im Herbst seiner Fernsehkarriere. Herbst klingt nach Vorruhestand, den Höhepunkt der Karriere überschritten, die unausgesprochene Bitte um Abgang inklusive. Den Satz so zu verstehen, hieße ihn misszuverstehen, wo ihn schon der Wutnickel Kahn falsch verstanden hat.

Thomas Gottschalk ist Deutschlands bester Showmaster. Mit „Wetten, dass ...?“ moderiert er Europas erfolgreichste Show, die ZDF-Sendung ist das letzte televisionäre Lagerfeuer; die ganze Familie schaut zu, zuletzt sagenhafte 14 Millionen Zuschauer. Einmal, da hat Gottschalk den Fehler gemacht und „Wetten, dass ...?“ abgegeben. Er wollte, was er jetzt wieder will, den Late-Night-Talker Thomas Gottschalk geben, zwischen 1992 und 1995 bei RTL. Nach einem irrlichternden Start kam die „Late Night Show“ auf über eine Million Zuschauer im Schnitt. Doch für einen Privatsender wie RTL war das zu wenig. RTL verlor mit Gottschalk Geld und die Lust. Eine „War-das-toll“-Erinnerung an die „Late Night“ gibt es nicht.

Gottschalk fiel wieder in die offenen Arme des ZDF: „Wetten, dass ...?“ wartete. Links und rechts versuchte sich Gottschalk in weiteren Formaten: „Gottschalks Hausparty“, „Gottschalk kommt“, „Gute Nacht Gottschalk“, „Gottschalk America Spezial“. Vergessen und vergeben. Thomas Gottschalk bleibt der beste Showmaster, der beste Entertainer ist er nicht. Gottschalk muss Thomas-Gottschalk-Sendungen machen, der Transfer seiner Qualitäten in Teilen will nicht recht gelingen. Jüngst, bei seinen „Hausbesuchen“ setzt er sich mit an den Tisch von Durchschnittsfamilien; es hat etwas unerhört Künstliches, Unglaubwürdiges, wenn der Thomas aus Hollywood bei Heins aus Lüdenscheid in der Küche steht. Es hat etwas Frühergrautes, wenn der 54-Jährige die ZDF-Show „50 Jahre Rock“ moderiert, und dabei Scott McKenzie sein One-Hit-Wonder „San Francisco“ endgültig zu Tode reitet. McKenzie ist 65, er sieht älter aus. Gottschalk ist der vielleicht jüngste 54-Jährige Deutschlands mit dem Herzen und dem Habitus eines 39-Jährigen (oder 41-Jährigen). Das heißt auch, dass der Dauerblonde kein Fernsehstar ist, der sich ständig neu erfindet, sondern just der ist, der er schon mit 39 (oder 41) war. Thomas Gottschalk ist nicht kreativ, er ist Thomas Gottschalk. Ein XXL-Format, ein Label, ein Stehengebliebener. Anders als Gottschalk ändern sich die Zeiten.

Sein Sender ist das ZDF. Ein Sender mit einem Imageproblem. Nur zwei Prozent der Fernsehschauer bis 29 Jahre favorisieren das zweite Programm. Der Durchschnittszuschauer des ZDF ist 57 Jahre alt. Das Imageproblem rührt auch von der Unterhaltung her; der Sender hat selten gute Ideen, und er hat nur drei Namen: Thomas Gottschalk, Johannes B. Kerner und Carmen Nebel. Nebel ist Volksmusikantin, Kerner ist enorm fleißig und wuppt eine Sendung nach der anderen. Also Gottschalk, der von der Spitze in die Fläche des ZDF-Programms gehen soll.

Der Kulmbacher hat noch freie Zeit, und er hat vom nächsten Jahr an einen enormen Vorteil. Vor allem dem Heimatwunsch seiner Frau Thea folgend nimmt er Quartier in Deutschland. Gerade hat er am Rhein ein Schloss gekauft (das alte in Bayern bewohnt Bruder Christoph). Gottschalk wird wieder Late-Night-Talker: Erst einmal während der Sendepause der „Johannes B. Kerner“-Show im Juni 2005. Programmdirektor Thomas Bellut sagt, das Format werde aus Talk, „50 Jahre Rock“ und anderen Elementen bestehen. Gottschalk wird, nicht zum ersten Mal, kannibalisiert. Gottschalk sagt, er wolle Altstars und die „Toten Hosen“ versammeln, er wolle trotzdem ein „Programm für die ganze Familie“ bieten, er wolle es trotzdem „krachen lassen“, er wolle die Sendung selbst entwickeln. Würde er all das nicht wollen, würde es ihm keiner übel nehmen.

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