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Der Autor Heinz Strunk (li.) liest aus seinem Roman "Der goldene Handschuh" über den Frauenmörder Fritz Honka.

© dpa

Fernsehen nach der EM: Vergesst Fussball!

Tennisfinale mit Angelique Kerber, Strunk, Hallervorden, Hitler-Dokus und ein frühes, wirres Werk mit Franz Beckenbauer: Warum sich auch nach der EM Fernsehen lohnt.

Den Fernseher in die Ecke gestellt, am besten ein Tuch drüber, lange Fußball-Abende vergessen: Nach dem EM-Aus der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, am Donnerstagabend gegen Frankreich, von fast 30 Millionen Zuschauern im ZDF verfolgt - der höchste jemals gemessene Wert für ein Europameisterschaftsspiel-, da fragt man sich: Was machen diese 30 Millionen eigentlich am Final-Sonntag und dann, nach der EM? Absolutes Sommerloch, oder gibt es doch noch ein Fernseh-Programm, bei dem es sich einzuschalten lohnt?

Trost findet sich für Sportfans schon an diesem Wochenende, mit einer XXl-„Sportschau“. Am Samstag sieben Stunden Leichtathletik-EM aus Amsterdam plus Tour de France in der ARD, smarterweise inklusive eingebetteter Doping-Berichterstattung. die laut WDR „neue Enthüllungen“ verspricht (ab 17 Uhr 55).

Parallel dazu: Das Tennis-Finale in Wimbledon mit Angelique Kerber gegen Serena Williams, exklusiv im Pay-TV bei Sky. Es ist noch unklar, ob die Übertragung am Nachmittag aus London auch unverschlüsselt frei gegeben werden könnte, für ein größeres Publikum. Der Pay-TV-Sender hatte sich die Rechte für die „Wimbledon Championships“ gesichert.

Das Erste ist offenbar nicht an einer Übertragung interessiert. "Wie bereits kommuniziert, hatten wir im Rahmen der Ausschreibung im Juli 2013 ein Angebot für die Wimbledon-Liverechte abgegeben, um Situationen wie die aktuelle vermeiden zu können. Leider haben ARD und ZDF den entsprechenden Zuschlag nicht erhalten. Diese Entscheidung des Rechtehalters respektieren wir und setzen mit der Tour de France, der Leichtathletik-EM und dem Finale der Euro an diesem Wochenende andere sportliche Schwerpunkte", sagt ein Sprecher der Programmdirektion Das Erste.

Um das andere Finale, Frankreich gegen Portugal am Sonntagabend in der ARD, machen die konkurrierenden Sender einen weiten Bogen. Attraktiv sieht anders aus. Menschlich verständlich gegen ein etwaiges Fußballspiel mit Deutschland versendet sich jeder Blockbuster. Lediglich Tele5 wagte vorab eine „EM-Alternativ“-Programmierung und bringt am Sonntag ab 21 Uhr eine mehrstündige Lesung mit Heinz Strunk „Der Goldene Handschuh“ über den Frauenmörder Fritz Honka. Das ist zumindest mal eine Erwähnung wert als originellste EM-Alternative aller Zeiten.

Kultureller Kontrast auch auf ZDFkultur: „Händler der vier Jahreszeiten“ mit Irm Hermann, zur Wirtschaftswunderzeit Anfang der 1960er Jahre. Regie: Rainer Werner Fassbinder, ein großer Fußballfan übrigens. Selbst auf „Tatort“ muss sonntags nicht verzichtet werden. Im WDR. SWR und EinsFestival laufen zur gewohnten „Tatort“-Zeit Wiederholungen, darunter der Polit–Krimi zu „Stuttgart 21“ aus 2015 mit den Ermittlern Richy Müller und Felix Klare (SWR, 20 Uhr 15).

Mit der MS Deutschland lässt sich alternativ nach Shanghai fahren

Der Juli lässt ansonsten viel Zeit für Dokumentationen. Schon am Samstag bringt 3sat „Rammstein in Amerika“ (20 Uhr15), ein Porträt von Hannes Rossacher über die umstrittene Band mit den teutonischen Rhythmen, die gleich hinterher das „Hurricane Festival 2016“ eröffnet. In „Hitlers Geldwäscher“ folgt Xavier Harek am Montag (ARD, 23 Uhr 45) der Spur des Raubgoldes der Nazis, die jüdischen Besitz konfiszierten.

Und „Keine Atempause“ im WDR (Montag, 22 Uhr 40) erzählt die Geschichte von Düsseldorf, dem Ratinger Hof und der neuen Musik vom Ende der 1970er Jahre, als Punk-affine Bands wie Fehlfarben, DAF oder Der Plan Düsseldorf zum Mekka des neuen Sounds machen.

Die gebührenfinanzierten Sender haben sich mit den Rechten für die Fußball-EM also nicht vollständig verausgabt und bringen den Rest des Sommers nur noch Wiederholungen. Ebenfalls am Montag läuft Dieter Hallervorden in der ÁRD-Primetime „Sein letztes Rennen“, danach lockt Scarlett Johannsson in der Sexkomödie „Don Jon“ im ZDF, der RBB startet am Donnerstag neue Folgen von „Stadt, Rad, Hund“. Bettina Rust radelt mit Prominenten wie Anna Loos und Hajo Schumacher durch Berlin.

Die Privaten bleiben bei dem, was sie stark macht, was gelegentlich eine TV-Alternative zum Biergarten darstellt: Gameshow („Sommerhaus der Stars - Kampf der Promipaare“, Mittwoch, RTL), das x-Quiz-Format mit Günther Jauch („500 - Die Quiz-Arena“, Montag, RTL), am Samstag „Schlag den Star“ mit Elton auf Pro7, wo am Montag auch ein neues politisches Doku-Format anläuft: „Uncovered - Thilo Mischke in der Welt der Gangs“ (22 Uhr 10). Tele5 startet am Freitag wieder „Die schlechtesten Filme aller Zeiten“, präsentiert von Oliver Kalkofe und Peter Rütten, viel deutsche Schmonzetten aus den 1970ern, unter anderem „Libero“, ein frühes, wirres Werk mit Franz Beckenbauer.

Das bringt zurück zur Frage mit dem EM-Finale am Sonntag ohne Deutschland im Fernsehen: wie man damit umgeht. Mit der MS Deutschland lässt sich alternativ nach Shanghai fahren, im ZDF-„Traumschiff“. Dann vielleicht doch noch einmal Fußball. Frankreich gegen Portugal, ARD.

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