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Tragödie einer Familie: Uwe Barschel nahm sich 1987 das Leben. Seine Witwe Freya ließ sich jetzt auf RTL vor Millionenpublikum mit ihm ins Jenseits verbinden, um die These vom Mordkomplott aufzufrischen.

© dpa

Fernsehkritik: "Das Medium" auf RTL: Missbrauchs-TV

"Das Medium" auf RTL ist die frivole TV-Version von Leichenfledderei. Trauer und Trauma der Witwe Uwe Barschels werden vor Millionenpublikum missbraucht.

Das Medium. RTL. Die Augendeckel flattern, Tränen fließen. Freya Barschel hat soeben erfahren, dass ihr Mann Uwe Barschel in der Nacht zum 11. Oktober 1987 nicht durch Suizid aus dem Leben geschieden ist – er ist ermordet worden. Kein Polizist hat ihr das offenbart, woran die Witwe selbst seit 23 Jahren glaubt, es war das hauptberufliche Medium Kim-Anne Jannes. Die 39-jährige Dolmetscherin zwischen Diesseits und Jenseits hat im Wohnhaus der Barschels Kontakt zum Urheber der „Barschel-Affäre“ aufgenommen, und Uwe Barschel hat den Tathergang beschrieben. Erinnerungen an den/die Täter hat er nicht, Namen nennt er keine.

Für die 66-jährige Freya Barschel, die sich in ihr Trauma des fälschlich beschuldigten Ehemannes eingekapselt hat und das gemeinsame Heim wie ein Mausoleum verwaltet, spielt das erkennbar keine Rolle. Sie greift nach dem Strohhalm, den ihr RTL, die Moderatorin Petra Neftel und das „Medium“ hinhalten. Auch in anderen beiden Fällen der Emotainment-Doku – der Unfalltod eines Bundeswehrsoldaten, ein Dreifach-Mord auf Mallorca – suchen trauernde Menschen nach Antworten. Kim-Anne Jannes gibt sie ihnen. Im Kern gibt sie ihnen nur das, was alle Betroffenen hören wollen, unterlegt mit dräuender Musik, begleitet von einer schamlosen Kamera, die Gesichter ableckt, angeleitet von einer Moderatorin, die mit Rehaugen, säuselnder Anmache und heftigstem Nick-Nick Menschen und Hellseherin zur Tat motiviert.

Was immer auch die Frauen – es sind ausschließlich Frauen – zur Zusammenarbeit mit RTL gebracht hat, es wird ihnen hoffentlich klar gewesen sein, dass ihnen der Sender nicht professionelle Trauerhilfe anbieten will, sondern ihre Not als frivole TV-Version von Leichenfledderei ausbeutet. Keiner ist allein in seiner Pein, solange es RTL gibt?

„Das Medium“ kommt wie ein esoterisches „XY Aktenzeichen ungelöst“ daher. Für die Ermittlungsbehörden springt jene Kontaktbereichsbeamtin im Totenreich ein. Ihre sensationellen Ergebnisse im Fall Barschel bleiben freilich folgenlos, erst im Abspann gesteht RTL ein, dass Barschels jenseitige Mordversion juristisch nicht relevant ist. Aber seine Witwe weiß jetzt: Vor einem Millionenpublikum ist die Wahrheit im Genfer Hotelzimmer ans Licht gekommen. Welch eine Tragödie, welch ein Missbrauchsfall eines Senders namens RTL.

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