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Jackson im TV

© dpa

Fernsehkritik: Jackson-Trauerfeier auf allen Kanälen

Auch das deutsche Fernsehen kam an der gigantischen Abschiedsfeier für den King of Pop nicht vorbei: Während die ARD die Übertragung früh abbrach, hielten andere bis zum Ende durch. Insgesamt fünf Sender kannten ab 18 Uhr nur ein Thema.

Wie viele Menschen haben weltweit mit den Live-Medien an der Trauerfeier für Michael Jackson teilgenommen? Exakt wird sich die Zahl nie feststellen lassen. Lass es 750 Millionen, eine Milliarde sein, der Pop-Künstler hat es wie die anderen Riesentoten Lady Di oder Papst Johannes Paul II. geschafft, dass sich die Weltbevölkerung für Momente auf eine, auf seine Person konzentriert hat. In Deutschland waren es im Kern fünf Sender, die nach 18 Uhr nur ein Thema kannten: A Tribute to Michael Jackson.

ARD: Da musste der Zuschauer richtig Angst haben. Das Erste fasste seinen Abschied von Michael Jackson in den „Brisant“-Rahmen. Ein Boulevardmagazin im parfümierten Parlando-Ton. Am Dienstagabend nicht. Der „Grand-Prix“-Moderatoren-Veteran Peter Urban kommentierte die Trauerfeier schlüssig und versiert, seine Stimme hatte jene Tonlage, mit der Rolf Seelmann-Eggebert einst Lady Di zu Grabe getragen hatte. Was nicht stimmte, waren Schwerpunkte und Schauplätze. „Brisant“ übertrieb es mit dem Eindeutschen ganz gewaltig. Leute, das Weltereignis spielte in Kalifornien, in Los Angeles und nicht in Deutsch-Posemuckel. Und dann das: Die „Tagesschau“ um 20 Uhr im Ersten wurde verschoben! Und dann das: Um 20 Uhr 19 brach die ARD die Übertragung ab. Glaubte der Sender, er könnte seinem Senioren-Publikum den „ausgebleichten Neger“ nicht länger zumuten? Fassungslosigkeit.

ZDF: Die Mainzer Fernsehanstalt hatte 50 Minuten Jacko-TV angekündigt. Schon als Plan eine grandiose Unverschämtheit, es war Michael Jackson gewesen, der einst mit seinem Auftritt bei „Wetten, dass...?“ dem ZDF die Sensationsquote von 17 Millionen Zuschauer beschert hatte. Das Zweite hat sich überwunden, das Programm über den Haufen geworfen und die Gedenkfeier bis 21 Uhr und damit fast bis zum Schluss übertragen. Gut, ohne das Studiotrio mit Musikjournalist Alan Bangs an der Spitze wäre die brave „Leute heute“-Moderatorin Karen Webb noch öfters ins Straucheln geraten. Ein paar Einblendungen, wer da im Staples Center als Trauerredner aufgetreten ist, wären auch im ZDF nicht verkehrt gewesen. Egal, das Zweite Deutsche Fernsehen hat „Jacko“ mehr als seinen TV-Pflichtanteil zugestanden.

N 24: Auch der private Nachrichtensender kam nicht ohne den ortsüblichen Jackson-Vertrauten aus: Christian Marks, von dem N 24 voller Stolz zu berichten wusste, dass „er als einziger eine autorisierte Biografie von Michael Jackson geschrieben hat“. Tolle Sache das, und mag auch manches Detail neu gewesen sein, der Marks-Brother war schwatzhaft und nahm dem Event made in USA viel seinem Reiz. Immerhin, bei N 24, dem unterkühlten News-Aggregat, sitzen nicht diese Emotionsterroristen, die dem Publikum ständig auf die Tränendrüse drücken. N 24 war, wie die übrigen News-Sender, Michael Jackson total: Ab 18 Uhr ging es open end durch den globalen Jacko-Kosmos, N 24 wandelte sich zum „King-of-Pop“-TV-Memorial. Für Fans ein Schaumbad, für Nicht-Fans ein Stahlbad.

n-tv: Was N 24 machte, das schaffte auch n-tv. Ein Michael-Jackson-Gedenkabend, vor Ort in L.A., mit Ausflügen in die Musik- und Fanwelt des Künstlers. Hier wie überall regierten der Superlativ und manch wacklige Spekulation. Schiere Tonnenideologie begrub den Event und den Toten im goldenen Sarg. Ein Übermensch, ein „Moonwalker“, der über die Erde schwebte wie weiland Jesus aus Nazareth übers Wasser. Stärkere Konzentration auf die Konzertfeier hätte den Moment noch mehr funkeln lassen.

Phoenix: Der Ereignis- und Dokumentarkanal wollte mal richtig Pop sein. Zum Start ging das richtig schief, Phoenix war um Meilen hinter dem aktuellen Geschehen in Los Angeles hinterher. Zwei Gäste im Studio: Markus Hoffmann von der WDR-Jugendwelle Eins Live und der promovierte Musikwissenschaftler Volkmar Kramarz. Das besaß den Charakter eines Seminars für fortgeschrittene Jacksonianer. Dass in Los Angeles die vielleicht größte Totenmesse des Medien-Zeitalters ausgerichtet wurde, störte die traute Runde in Bonn nicht sonderlich. Phasenweise zelebrierte Phoenix Fernsehen aus der analogen Zeit.

Hoffentlich hat irgendein deutscher Sender die Nacht dazu genutzt, das Abschlusskonzert für Michael Jackson unplugged auszustrahlen. Das wäre er gewesen, der magische Schlusspunkt eines besonderen Fernsehabends.

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