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Medien: Fernsehmuseum: Inge Meysel

Am liebsten wäre sie gar nicht Schauspielerin. Am liebsten wäre sie Clown.

Am liebsten wäre sie gar nicht Schauspielerin. Am liebsten wäre sie Clown. "Das", sagt Inge Meysel, "ist die größte Sehnsucht meines Lebens." Clown, das passt zu ihr, nicht nur zu den Kulleraugen und der lebhaften Mimik und Gestik. Sondern auch zu ihrem quirligen, melancholischen Witz und diesem unbeugsam zärtlichen Trotz, mit dem die 1910 geborene Berlinerin auftritt. Aber nicht deshalb, weil Inge Meysel kein Clown wurde, hat sie sozusagen den Beruf verfehlt. Nicht den Schauspielerberuf, nein, den Mutterberuf. Denn das Image der kleinbürgerlichen, beherzt kämpfenden Mutter, haftet Inge Meysel trotz allem an. Dabei wurde sie nie müde zu betonen, dass sie alles andere als ein mütterlicher Typ sei. Und mit dem Begriff der "Nation" hat sie wohl auch so ihre Schwierigkeiten. Ihre Mutter war Dänin, der Vater ein jüdischer Tabakwarengrossist, der den Holocaust in einem Versteck überlebt hat. Als Schauspielanfängerin bekam Inge Meysel 1933 Auftrittsverbot. Zu ihrer wohl bedeutsamsten Fernsehrolle fand sie erst 1965, in der Serie "Die Unverbesserlichen", die bis 1971 lief. Inge Meysel spielte Käthe Scholz, die Vollblutmutter, die "Mutter der Nation".

Schon in den siebziger Jahren konnte Inge Meysel sagen oder tun, was sie wollte, es hat das Bild von ihr nicht erschüttert. Dass sie für das Recht auf Abtreibung kämpfte, dass sie 1978 wegen Frauenfeindlichkeit gegen den "Stern" klagte, dass sie sich zur Bisexualität bekannte, hat man überhört. Inge Meysel ist der genialste Beleg für das weit verbreitete Missverständnis, der Schauspieler sei eins mit seiner Rolle. Dass sie dieses Wunschdenken unter Einsatz ihrer gesamten Persönlichkeit als Mumpitz entlarvt, dafür danken wir ihr. Aus dem Konflikt zwischen Mutter und Mensch ist Inge Meysel übrigens gestärkt hervorgegangen.

Zu bewundern wieder am nächsten Montag in dem ZDF-Film "Die Liebenden vom Alexanderplatz".

Uta-Maria Heim

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