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Medien: Fernweh im Fernsehformat

Reisemagazine in Zeiten des Terrors: Das Geschäft mit dem Traum vom Paradies blüht

Wir leben in unsicheren Zeiten. Flugzeuge stürzen vom Himmel oder entgehen nur knapp von Terroristen abgefeuerten Raketen. In vermeintlichen Ferienparadiesen werden Touristen zu Zielscheiben religiös geprägten Hasses, Verwirrte sprengen Diskotheken in die Luft, anderswo werden Urlauber verschleppt. Man könnte also meinen, dass die Menschen lieber zu Hause bleiben, als zu einer Reise aufzubrechen. Falsch gedacht, der Traum von paradiesischen Stränden und aufregenden Skylines wird geträumt, wie eh und je.

Die Reisebranche boomt wieder, und das nicht zuletzt dank des Fernsehens. Dessen originäres Wesen ist es, seine Zuschauer auf eine Reise zu schicken, auf eine Reise in den Wilden Westen vielleicht oder in die Zukunft, an Bord eines Raumschiffes. Längst aber hat „auf die Reise schicken“ nicht nur eine Bedeutung im übertragenen Sinn, sondern ist auch ganz wörtlich zu nehmen. Die so genannten Reiseshops von Sendern wie Neun Live oder Tele 5 haben ebenso Hochkonjunktur wie die klassischen TV-Reisemagazine. Sechs Reiseshops und nahezu zwanzig Magazine gibt es augenblicklich, und die Zahl steigt. Vox etwa leistet sich neben dem eigenen „Vox Reise-Shop“ gleich zwei Formate, „Wolkenlos“ und „Voxtours“, und hat dafür kürzlich die 3-D-Wochen ausgerufen. Mit einer entsprechenden Brille scheint dann der Traumstrand zum Greifen nah.

Was aber gezeigt wird, wenn auf die „Voxtours“ eingeladen wird, wenn die ARD mit ihren Klassiker „Ratgeber Reise“ Urlaubstipps gibt oder das ZDF die „Reiselust“ anregt, sind natürlich die Schokoladenseiten des jeweiligen Landes. Gekauft wird die Illusion von der heilen Welt, und die TV-Shops, die eng mit den Touristikunternehmen zusammenarbeiten, verdienen offensichtlich viel Geld mit den Urlaubsträumen ihrer Zuschauer. So hat Tele 5 vor kurzem mit „Neckermann Urlaubs TV“ ein dreistündiges Reise-Fenster eröffnet, und die Euvia Media AG, die auch den Call-Sender Neun Live unterhält, hat gerade das täglich laufende Format „Sonnenklar“ zu einem kompletten 24-Stunden-Sender, „Sonnenklar TV“, ausgebaut, der im analogen Free-TV zu empfangen sein wird.

Verständlich, wenn man weiß, dass der Sender mit „Sonnenklar“ im dritten Quartal Reisen mit einem Buchungsvolumen von insgesamt 27,6 Millionen Euro vermitteln konnte. „Das entspricht einer Steigerungsrate von 176 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal und von 50 Prozent gegenüber dem zweiten Quartal 2002, der Anteil am Gesamtumsatz von Neun Live beträgt dabei rund 20 Prozent“, sagt Sylke Zeidler, Sprecherin des Senders. Zeidler preist „Sonnenklar TV“ als „Anbieter von exklusiv für den TV-Vertrieb konfigurierten Reisen zu äußerst attraktiven Preisen, wie sie in dieser Form im stationären Vertrieb nicht angeboten werden“. Und sie hält das Fernsehen für „das ideale und emotionale Verkaufsumfeld, um dem Zuschauer alle relevanten Entscheidungsparameter in unterhaltsamer Weise zu bieten“. Was Zeidler allerdings „in unterhaltsamer Weise“ nennt, grenzt bisweilen an Idiotie. Mit einem Reise-Quiz, bei dem einem gestandenen Quiz-Moderator die Haare zu Berge stehen dürften, versucht man die Zuschauer zum Anrufen zu bewegen. „Wo ist der Hamburger Hafen“, wird etwa gefragt, und wer am schnellsten die entsprechende Nummer gewählt und dann auch noch die richtige Antwort parat hat, der gewinnt zum Urlaub, den er nebenbei gleich noch buchen soll, ein paar Euro für die Reisekasse.

Man sieht schon, mit Journalismus haben all diese Sendungen nur am Rande zu tun. Umso erfreulicher ist es, wenn ein Format auf den Bildschirm kommt, dass mehr sein will als ein Reisekatalog in bewegten Bildern. So startet Kabel 1 heute Abend (18 Uhr 50) die zweite Staffel von „Abenteuer Ferne“ und nimmt den Zuschauer mit zu einem Besuch in der Jazz-Metropole New Orleans. Auch hier gilt zwar in der Regel, dass nicht erwünscht ist, was den Zuschauer verstören könnte. Dennoch ist Platz für Bilder und Geschichten abseits des Touristik-Mainstreams. Dass dies nicht gerade billig ist, bestätigt Petra Fink, Pressechefin von Kabel 1: „Die Sendung ,Abenteuer Ferne‘ ist unser teuerstes Format, für alle Kosten kommen wir allein auf.“ Soll heißen, es gibt kein Sponsoring und damit auch niemanden, der von außen auf redaktionelle Inhalte Einfluss nehmen könnte. „Bei uns saust kein Flieger mit dem Lufthansa-Enblem durchs Bild“, sagt Fink. „Dieses Magazin ist strikt nichtkommerziell, alles was mit Service-Charakter zu tun hat, haben wir ins Internet verlegt.“ So verzichtet „Abenteuer Ferne“ auf die augenscheinlichen Attraktionen wie etwa die für New Orleans typischen Mississippi-Raddampfer. Stattdessen lässt sich die Moderatorin, Silvia Incardona, lieber per Helicopter-Flug das Mississippi-Delta zeigen oder tätschelt auf einer Alligatoren-Farm auch schon mal einem dieser so gar nicht poussierlichen Tierchen den Bauch. Ein Hauch von Abenteuer light weht dem Zuschauer bei „Abenteuer Ferne“ stets um die Nase.

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