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"Tatort"-Dreh.

© dpa

Filmbranche: Die Produktionsbedingungen stehen zunehmend in der Kritik

Eine Frage der Qualität: Immer weniger Drehtage für Serien und Filme. Unter den Kürzungen leiden nicht nur die Schauspieler, sondern auch alle Gewerke hinter der Kamera.

Schwer zu sagen, was Hannelore Kraft vom Fernsehen hält. Eine ihrer besten Freundinnen, Mariele Millowitsch, kommt vom Fach. Über die Schauspielerin hat die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen schon mal einen guten Eindruck bekommen, bei einem Besuch am Set eines ZDF-Films. „Wir stehen da die meiste Zeit herum und warten“, sagten Millowitsch und Kraft zuletzt beim WDR-Talk „Kölner Treff“. Schauspielerpech? Langeweile? Das täuscht. Wenn man sich in der Branche umhört, ist oft von überlangen Arbeitstagen, dauernder Erreichbarkeit, verschobenen Grenzen und wenig Zeit fürs Privatleben die Rede. Es kommt selten vor, dass sich Filmschaffende darüber öffentlich aufregen. Umso bemerkenswerter die Aussagen, mit denen Bjarne Mädel in der vergangenen Woche auf Produktionsbedingungen in Deutschland hinwies. Die Kritik des Schauspielers, der gerade wieder mit der sehr erfolgreichen NDR-Serie „Tatortreiniger“ im Rampenlicht steht, löste eine heftige Diskussion aus, wenn sie auch ein bisschen falsch in der Öffentlichkeit herüberkam.

Bjarne Mädel wolle aus der Krimiserie „Mord mit Aussicht“ aussteigen, hieß es. Nach der nächsten Staffel sei für ihn Schluss mit dem Eifel-Krimi, sagte Mädel dem Onlineportal sueddeutsche.de. Mädel spielt in der Serie den etwas einfältigen Dorfpolizisten Dietmar. Zwischen März und Juni werden sechs neue Folgen gedreht. Mädel begründete seinen Ausstieg unter anderem mit einer Kürzung der Drehtage. Der Umgang mit der Serie sei „lieblos“. Als Schauspieler komme man kaum noch zu kreativer Arbeit. „Deshalb will ich das auch nicht mehr.“ Für seine Rolle im „Tatortreiniger“ war Mädel zweimal mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet worden.

„Ich setze mich für den Erhalt des 23. Drehtags beim WDR-,Tatort‘ ein.“

Die Heftigkeit der Diskussion nach diesen – stark zusammengefassten – Aussagen hätte ihn nun doch überrascht, sagte Mädel dem Tagesspiegel ein paar Tage später. „Mir war wichtig zu sagen, dass es immer schwerer wird, die Qualität abzuliefern, die wir uns alle wünschen, und ich bleibe bei meiner Kritik an den immer schlechter werdenden Produktionsbedingungen in unserer Branche.“ Unter den Kürzungen der Drehzeiträume leiden ja nicht nur die Schauspieler, sondern auch alle Gewerke hinter der Kamera.

Mädel habe vor kurzem erfahren, dass bei „Mord mit Aussicht“ ein Drehtag pro Regieblock wegfallen soll, darüber habe er sich geärgert. „Ich möchte aber klarstellen, dass dies nicht der Grund für mich ist, die Serie zu verlassen. Nach Abschluss von tollen 39 Folgen ,Mord mit Aussicht‘ und 46 Folgen ,Stromberg‘, finde ich es an der Zeit, mich für neue Aufgaben zu öffnen. Meine Kritik möchte ich als generelle Kritik am System verstanden wissen.“

Ein System, das ja gerade auch von Zuschauern und Kritikern immer wieder auf Qualität abgeklopft wird. Ein System, das in Zwängen steckt, nicht nur bei „Mord mit Aussicht“. WDR-Fernsehfilmchef Gebhard Henke kennt die Klagen der Produzenten, Schauspieler und Autoren. „Ich setze mich seit Jahren für den Erhalt des 23. Drehtags beim WDR-,Tatort‘ ein.“ Die Drehzeiten für die verschiedenen ARD-,Tatorte‘ beispielsweise liegen bei 21bis 23 Tagen. Vor langer Zeit waren das mal 30. Da sei heutzutage ein Tag mehr oder weniger ein Quantensprung. „Aufgrund der Gebührensituation haben wir seit Jahren eine Stagnation beim ,Tatort‘-Budget“, sagt Henke. „Dieses liegt so bei 1,3 bis 1,4 Millionen Euro pro Folge.“ Wenn es dann tariflich mehr werde bei Gewerken und Darstellern, gehe es halt irgendwann an die Drehtage, leider, so Henke weiter. „Man möchte ja möglichst viel Programm machen, und wir sind verpflichtet, sorgfältig mit dem Geld umzugehen.“

Die Kritik von Bjarne Mädel möchte Henke relativiert wissen. Bei „Mord mit Aussicht“ müsse man die Verhältnisse betrachten: „Ich schätze Bjarne Mädel sehr, aber die Kürzung beträgt im Schnitt einen Vierteldrehtag pro Folge, also von neun auf acht drei viertel Tage.“ Ob es nach der jetzt im Frühjahr abgedrehten dritten Staffel noch eine weitere geben wird, gegebenenfalls ohne Bjarne Mädel, kann der WDR-Filmchef nicht sagen. „Ich würde mich freuen, wenn es weitergeht. Wenn ein Protagonist aussteigt, muss so eine Serie nicht unbedingt sterben.“

Immer weniger Drehtage, immer weniger Qualität? Arbeiten am Limit? Man hört diese Furcht ständig, wenn man mit Schauspielern, Autoren, Regisseuren oder Requisiteuren spricht. Auch die leise Kritik, dass manche teure Promi-Kommissare vielleicht ein bisschen zu viel Geld verdienen und damit am eh klammen Produktionsbudget nagen. Mit Namen wollen sich wenige Kritiker in der Zeitung sehen, weil sie sonst vielleicht keine Aufträge mehr bekommen. Dabei gibt es in Deutschland rund 18 000 Schauspieler. Die wenigsten davon kommen jahrein, jahraus gut über die Runden, sie müssen das nehmen, was an Angeboten kommt.

„Natürlich weht heutzutage ein rauerer Wind. Die Produktionsbedingungen werden immer schwieriger“, sagt Michael Lehmann, Vorsitzender Geschäftsführer der Studio Hamburg Produktion Gruppe („Großstadtrevier“, „Tatort“). Man solle aber nicht lange jammern, aufgrund geringer werdender Margen sei es umso wichtiger, den Rechtekatalog der Produzenten zu erweitern und weitere Erlösmöglichkeiten zu generieren. „Kreativität spielt eine immer größere Rolle dabei, auch bei weniger Drehtagen die Qualität zu bewahren und trotzdem den Schauspielern weiter gerecht zu bleiben.“

Der Fernsehspiel-Chef des WDR macht sich um die Qualität der deutschen TV-Filme und -Serien keine so großen Sorgen. „Wir haben im Augenblick bei der ARD so viele gute Vorschläge für Polit- und Familienserien à la ,Weißensee’ auf dem Tisch. Da müssen wir nicht immer nur nach Amerika schauen, zu HBO. Die Zeit des Jammerns ist vorbei“, sagt Henke. Fragt sich nur, für wen.

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