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Literaturen

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Friedrich-Berlin-Verlag: Der Kern der Weisen

Im kommenden Jahr wird das Büchermagazin neu gestaltet. Die ausscheidende Herausgeberin Sigrid Löffler kritisiert die Verlagsführung, sie boulevardisiere das literaturkritische Magazin "Literaturen". Wie wird es ohne die langjährige Herausgeberin weitergehen?

Der Vorgang ist ein handelsüblicher, und handelsüblich ist auch, dass er nicht ohne Misstöne auskommt. Ende September verkündete der in Berlin ansässige und zur Klett-Gruppe gehörende Friedrich-Berlin-Verlag, dass Sigrid Löffler, die 66-jährige Herausgeberin und Mitbegründerin des Literaturmagazins "Literaturen“, Ende 2008 ihre Tätigkeit beenden werde. Der Geschäftsführer des Verlags, Michael Merschmeier, bedankte sich, etwas nüchtern, und schickte ein Sätzlein wie "Ohne Sigrid Löffler wäre Literaturen nicht möglich gewesen“ hinterher.

Löffler ihrerseits fand jedoch keine Worte des Danks oder zur Schönheit der gemeinsam verbrachten Zeit. Sie machte deutlich, so zuletzt im neuen "Spiegel", dass die Trennung nicht einvernehmlich gewesen sei. Eine "Änderung der Blattlinie" von einem literaturkritischen Magazin in Richtung "Wohlfühl- und Service-Heft" habe sie nicht mehr mittragen wollen, so Löffler, zudem sei das Heft die vergangenen Jahre nicht professionell vertrieben und vermarktet worden.

Kritik übertrieben?

Das sind Äußerungen, die übertrieben und nicht zuletzt im leidenschaftlich grantelnden Wesen von Löffler begründet sein dürften. Die "Literaturen"-Zahlen jedoch sind ernüchternd. Zu seinen besten Zeiten hatte das 2000 erstmals veröffentlichte und zehnmal im Jahr erscheinende Magazin eine Druckauflage von 50.000 Exemplaren, von denen 8000 bis 10.000 an Abonnenten gingen und mitunter bis zu 30.000 am Kiosk und in Buchhandlungen verkauft wurden.

2007 lag die Druckauflage noch bei der Hälfte, und bei gleichbleibenden Abozahlen wurden 11.000 Exemplare verkauft. Überdies ist das Heft nicht vollgestopft mit Anzeigen. Das kommt dem Layout zwar zugute, mag auch für den Leser wohltuend sein, ist aber den Umsatzzahlen nicht zuträglich.

Bei so einer Entwicklung verwundert es nicht, dass sich ein Verlag und wohl auch eine Redaktion Gedanken über inhaltliche und optische Veränderungen machen. Das aber ist bei einem Magazin wie "Literaturen" nicht so einfach. Denn es hat gegenüber den dieselbe Leserschaft bedienenden Feuilletons den Nachteil, nicht aktuell sein, auf plötzliche Bucherfolge und neue Entwicklungen bei Verlagen oder auf dem Buchmarkt nicht gleich reagieren zu können.

Zeit zum Schreiben

Das Heft beinhaltet vor allem Rezensionen, was es von den Literaturteilen der Feuilletons nicht groß unterscheidet. Es glänzt aber immer wieder mit Themenschwerpunkten, wie zuletzt über 1968 oder Goethe, und Schriftstellerporträts, so wie in der neuen Ausgabe von Büchnerpreisträger Josef Winkler. Der Vorteil eines Monatsmagazins ist zudem: Es hat Zeit zur sorgfältigen Recherche und eben auch Platz für längere Textstrecken.

"Literaturen"-Verleger Michael Merschmeier bedauert Löfflers Vorwürfe und weist sie zurück. Der Kern des Heftes, seine Identität bliebe erhalten, und wenn Löffler von "Boulevardisierung“ rede, könne er nur sagen: "Wir wissen gar nicht, wie so was geht." Ihm schwebe eine "Öffnung" des Heftes vor, "mehr Vermittlung". Dabei äußert er sich konkret aber nur dahingehend, "die Textformen, das Porträt, den Essay, die Reportage, deutlicher voneinander zu konturieren: Ein Themenschwerpunkt soll nicht nur aus einer Sammelrezension bestehen."

Die Literaturwelt spricht wieder über das Magazin

Für den Mai 2009 sei ein Relaunch geplant, und die bislang vierköpfige Redaktion werde nach dem Ausscheiden von Löffler wieder komplettiert, so Merschmeier. Nach Boulevardisierung klingt das nicht, nach einem bunten Alles-und-nichts-Magazin wie "Bücher" auch nicht. Vielleicht hat Sigrid Löffler nolens volens mit ihren Kassandrarufen "Literaturen" einen letzten schönen Dienst erwiesen: Man spricht wieder über das Magazin, die Literaturwelt macht sich Sorgen, und das ist doch schon mal was.

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