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Journalist. Friedrich Nowottny startete nach dem Krieg bei der Zeitung, dann ging er zum Fernsehen, zum WDR. Foto: dpa

© dpa

Friedrich Nowottny: "Mister Bonn" wird 85

Willy Brandt antwortete nur „ja“, „nein, „doch“. Das Interview mit dem SPD-Kanzler ist ein Youtube-Hit. Geführt hat es Friedrich Nowottny, der am Freitag 85 Jahre alt wird.

Im Hobbykeller befinden sich ein Trimm-Dich-Rad, ein alter Teppich, ein noch viel älteres Radio und viele Regale mit abgewetzten Aktenordnern und zerlesenen Büchern. Millionen Hobbykeller sehen so aus. Wenn Friedrich Nowottny aber hingeht und willkürlich etwas herauszieht, dann kann es sein, dass es sich um einen handgeschriebenen Glückwunschbrief Willy Brandts zu seinem 50. Geburtstag handelt. Am heutigen Freitag hat Nowottny wieder Geburtstag, er wird 85 Jahre alt.

Sein berühmtes Interview mit Willy Brandt ist heute ein Renner bei Youtube. Nowottny hatte den SPD-Kanzler gebeten, sich kurz zu fassen. Daraufhin beantworte dieser die Fragen nur mit „ja“, „nein“ oder „doch“. Nowottny ließ sich äußerlich nichts anmerken. „Aber Sie wissen nicht, wie es in mir ausgesehen hat!“ Nowottny könnte viele solcher Geschichten erzählen, schließlich hat er zwölf Jahre lang den „Bericht aus Bonn“ moderiert. Aber er tut es nicht. Die Gegenwart interessiert ihn viel mehr. Die Krise in der Ukraine, das ist das Thema, das ihm jetzt auf den Nägeln brennt.

Nowottny wuchs in Hindenburg in Oberschlesien auf, zehn Minuten von der polnischen Grenze. Beim Überfall auf Polen war er zehn Jahre alt. „Ich weiß, wie es ist, wenn der Krieg vor der Tür steht“, sagt er. „Ich weiß auch, wie das Ende war. Ich war als 15-, 16-Jähriger im Volkssturm, mit 'ner Panzerfaust ausgestattet.“ Wenn man das erlebt habe, überrasche es einen, wie schnell manche deutschen Politiker heute wieder das Wort „Krieg“ in den Mund nähmen.

Nowottny wohnt vor den Toren Bonns in dem Ort Swisttal. An den Wänden hängen gesammelte Karikaturen, zum Beispiel ein Bild aus dem Loriot-Zeichentrickfilm, in dem er Helmut Schmidt interviewt. Nach Nowottnys Geschmack ist das Bild zu groß und zu aufwendig gerahmt, aber es ist ein Geschenk. Über Schmidt sagt er: „Der muss inzwischen darauf achten, dass er nicht selig gesprochen wird.“ Und da ist es wieder da, jenes wissende, leicht spöttische Schmunzeln, das man von früher kennt, wenn er am Ende der Sendung „Auf Wiedersehen – das Wetter“ sagte. Diese Worte erschienen immer wie der passende Kommentar zu allen Politikerphrasen.

Abgesehen von den Karikaturen fehlt jeder Hinweis darauf, dass Nowottny einmal einer der bekanntesten Fernsehleute und anschließend zehn Jahre WDR-Intendant war. Im Wohnzimmer eine alte Sofagarnitur, alles ganz unscheinbar. Wenn man ihn darauf anspricht, zieht er einen Bildband des Fotografen Josef Darchinger hervor. Auf dem Titel ist der zerbombte Reichstag zu sehen. Es folgen Bilder von Kindern in Trümmerlandschaften, Flüchtlingsheime. „In so einem Heim hat meine Frau gewohnt“, sagt er.

Die ersten D-Mark-Scheine. „So sah das Geld aus.“ Ein junger Helmut Schmidt mit der Lokalzeitung „Freie Presse“ in der Hand. „Da hab ich angefangen.“ Er klappt das Buch wieder zu. War's früher besser als heute? „Nein“, sagt er. „Es war nur bescheidener.“ Neulich ist ihm sein erster Zeitungsartikel in die Hände gefallen, eine Meldung über einen Autounfall im Jahr 1948. Ein ganzes Regal ist voller Fotos. Er fischt ein Bild heraus, das ihn im Gespräch mit Helmut Kohl zeigt. Der Kanzler wirkt riesig, Nowottny hobbithaft klein.

Was soll aus all den Erinnerungen werden? Nowottny muss wieder schmunzeln. „Ich nehm das und werf das in den Müll.“ Er will den Keller aufgeräumt hinterlassen. Christoph Driessen (dpa)/jbh

Christoph Driessen

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