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Medien: Fröhlich aufhören

Warum Bettina Rusts „Talk der Woche“ bei Sat 1 scheitern muss

Diesmal wollte sie weniger unterbrechen; also durfte Guido Westerwelle endlos dozieren – über menschliche Politiker, seine Rente, den Friedensnobelpreis und Fairness im Sport. Dennoch gab es einen magischen Moment, als Mittalkerin Barbara Salesch über Kanzler Schröder meinte: „Er tut mir leid.“ Die Moderatorin verpasste ihn.

Auf den ersten Blick wirkte die Idee überzeugend: nicht noch ein Polit-Talk sollte da kommen, sondern ein normales „gesellschaftspolitisches“ Gespräch zu den Wochenthemen, nah am Alltag, ohne Politikerfloskeln. Diplomatie und rhetorische Luftballons würde die forsche Moderatorin platzen lassen, uneitel und einfach auch nach des Kaisers neuen Kleidern fragen, näher am Nachbarn als am Parteitag. Zwei Probleme barg dieses Konzept von vornherein: Es bot nur Rückschau, nie Ausblick, und beantwortete nicht, woher Tiefe kommen sollte, wenn sie nicht in der handelsüblichen Küchenpsychologie gesucht werden sollte. Jetzt ist ein Urteil möglich. Bei einem solchen Sendungstyp sollte man fairerweise drei bis vier Ausgaben abwarten.

Bettina Rust startete mit viel Sympathie. Auch die Gäste wollten sie nicht stürzen. Harald Schmidt, Henryk M. Broder und Gregor Gysi lieferten in den bisher vier Ausgaben zuverlässig die erwarteten Pointen; Giovanni di Lorenzo half ihr in den Sattel. Selbst Otto Schily erzählte von seinen Pantoffeln. Hektisches Themen-Hopping und hartes Unterbrechen konnten der Anfangsnervosität zugerechnet werden. Aber das alte Schauspielerparadox gilt auch für Talkmaster: nicht weniger gut, sondern besonders gut muss sein, wer den unscheinbaren Nachbarn geben will. Populär wird am besten, wer die Zirkuskuppel schon einmal erklommen hat. Zu fragen, was mir und dir auf den Nägeln brennt, ist die höchste Kunst. Naivität – echte wie gespielte – ist das Gegenteil.

Wenn eine fast 40-jährige Journalistin erzählt, dass sie das Wort „Filibustern“ nachschlagen musste, darf das sein, aber warum brüstet sie sich damit? Sie behauptet, Wähler vermissten Glaubwürdigkeit, wenn Umweltminister dicke Autos fahren – wirklich? Bei Angela Merkel würden sich im Wahlkampf alle auf Äußerliches einschießen – was einfach nicht stimmt. Es dauert, bis sie Markus Söder glaubt, dass er manches für oberflächlich hält und dies keine Ausflucht ist. Es dauert, bis sie merkt, dass sie den protestantischen CSU-Generalsekretär schlecht für barocken bayerischen Polit-Katholizismus haftbar machen kann. Gregor Gysi sei in der SED zu Hause – das meint sie aber nicht böse. Sie überlässt ihm das Schlusswort. Vor allem aber verpasst sie – wie am Sonntag bei Barbara Salesch – die Momente, auf die ihr Wochentalk eigentlich baut: die Differenz von Normalität und großer Politik. Als Hugo Egon Balder als wacher Bürger seine Ratlosigkeit zur Wahl thematisiert und überlegt, was eigentlich wäre, wenn sich alle verabredeten, nicht zur Wahl zu gehen, erkennt Bettina Rust die Chance zum Nachfassen nicht, hält dies für einen Gag und huscht schnell weiter. So geht es immer wieder. Nie hatte man den Eindruck, im Zweifelsfall etwas verpasst zu haben. Lebensnah und lebendig sollte die Sendung werden. Tatsächlich blieb sie ohne Relevanz.

Jetzt werden die Themenfülle entzerrt und an den Sekundärtugenden der Moderatorin – schnelles Sprechen, etwas rüdes Unterbrechen etc. – gefeilt. Aber das Problem sind die – bei einer solchen Sendung allerdings besonders hohen – Anforderungen an die Primärqualifikation. Bettina Rust ist selbst zu sehr im Getümmel, um es sortieren zu können. In einem Spartenkanal oder beim RBB könnte sie jetzt „ihre“ Sendung mit ihren Themen und ihren Gästen versuchen.

Im Hauptprogramm bei Sat1 wird die Sendung am Ende wieder allein wegen der Quote abgesetzt werden. Dabei ist „Talk der Woche“ besser als die Quote, aber nicht gut genug. Die Moderatorin sollte ihre forsche Fröhlichkeit bewahren und – aufhören. Um Ideen nicht zu ersticken, brauchen wir eine Kultur, die Versuch und Scheitern erlaubt. Nur auf dem Papier, leider nicht in der Fernsehwirklichkeit war Bettina Rusts „Talk der Woche“ eine Alternative zum Bedeutungsgedröhn der anderen.

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