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Medien: Gerne auch politisch

Der Publizist Manfred Bissinger wird 65

Das gab es tatsächlich: HRChefredakteurin Luc Jochimsen (sitzt jetzt für die Linkspartei im Bundestag), Hugo Müller-Vogg (schreibt heute für die „Bild“) moderierten mit dem sozialdemokratisch durchwirkten Manfred Bissinger das Politikforum „3-zwei-eins“ im Hessischen Fernsehen. Das ging von 1997 bis März 2001, und wer es erlebt hat, hatte aufregende Fernsehzeiten mit diesem Moderatoren-Trio. Bissinger und Müller-Vogg pflegen heute noch engen Kontakt, eine späte Freundschaft. Was der konservative Müller-Vogg schreibt, gerne mit Bissinger zusammen wie jüngst bei der „Schnellen Wahlhilfe“, das bringt Bissinger beim Verlag Hoffmann & Campe unter.

Manfred Bissinger, der heute seinen 65. Geburtstag feiert, arbeitet bei diesem Hamburger Verlag als Geschäftsführer für den Bereich Corporate Publishing. Dort wird Geld verdient mit Kunden- und Mitarbeiterzeitungen wie für BMW und RWE.

Das ist aller Ehren wert, ist in der Biografie des Manfred Bissinger gerade mal eine Fußnote. Der gebürtige Berliner ist ein politischer Publizist, mal liegt die Betonung auf politisch, mal auf publizistisch. Bissinger meldet sich öffentlich zu Wort, wie auch anders, wenn sich einer dem Munzinger-Archiv als „aufmüpfiger Schüler“ beschrieben hat. In das Mediengeschäft ist der Verlegersohn von der Pike auf hineingewachsen, als Volontär bei Fachzeitschriften, als Nachrichtenredakteur bei der dpa, von 1965 bis 1967 als Fernsehreporter für „Panorama“. Als der damalige Chef des NDR-Magazins, der spätere „FAZ“-Herausgeber Joachim Fest, abgelöst wurde, kündigte Bissinger – und musste für seinen charakterfesten Schritt schon büßen. Da war nichts von einem Aufstieg in Sicht, Bissinger kam als Leserbriefredakteur beim „Stern“ unter. Da ging es ganz schnell, 1975 ernannte ihn Henri Nannen zu einem seiner stellvertretenden Chefredakteure. Im Konflikt über einen Artikel Steuerflüchtlinge betreffend, darunter Bertelsmann-Chef Reinhard Mohn, wurde Bissinger beurlaubt. Er verließ den „Stern“ 1978.

Manfred Bissinger wurde, als es das Prädikat noch gar nicht gab, ein „spin doctor“ – als Sprecher des Hamburger Bürgermeisters Hans-Ulrich Klose. Manche sagen, Klose tat, was Bissinger dachte. Als Klose 1981 von seinem Amt zurücktrat, ging auch Bissinger. Er wurde Chefredakteur von „Konkret“, von 1981 bis 1984. Die Zeitschrift sollte zur linken Illustrierten ausgebaut werden, im Kern wurde das rot-grüne Bündnis positioniert und verbreitert, sozialdemokratisch grundiert, auch wenn die nächste Aufgabe, Chefredaktion der Ökologie-Zeitschrift „natur“, anderes suggerierte. Denn Bissinger, der den Aufstieg des Gerhard Schröder bis zur kritischen Nähe hin begleitete, ist ein Realist der Macht. So brummbärig er scheinen mag, so hellwach ist der hochgebildete Publizist, wenn es ans Denken und Formulieren geht. Was er nicht leiden kann, sind Lautsprecher-Typen, intellektuelle Säusler, Schwätzer. Er versteht sich mit dem Theatermann Jürgen Flimm, mit dem Schriftsteller Günter Grass. Kurze Zeit war Bissinger Generalsekretär des deutschen PEN-Zentrums.

In den Wende-Zeiten hatte der Chefredakteur, später Herausgeber der „Merian“-Hefte aus dem Verlag Hoffmann & Campe, eine fabelhafte Idee, eine fünfbändige Kassette „Die neuen Bundesländer“. 500 000 mal verkauft, ein riesiger Erfolg. Verleger Thomas Ganske bot Bissinger an, eine neue Wochenzeitung zu verantworten, „Die Woche“. Erstmals im Frühjahr 1993 erschienen, war vieles neu: das Format, das Layout, überhaupt das Visuelle, das „Die Woche“ als publizistische Grundnahrung für die junge Intelligenz attraktiv machen sollte. Es prasselte Design-Preise; stets im Minus zögerte die Kombination mit der „Wochenpost“ als „gesamtdeutsches Wochenzeitungsprojekt“ den schnöden Tod nur hinaus. Nach neun Jahren, im März 2002, wurde „Die Woche“ eingestellt. Das ging Bissinger nahe, vielleicht sogar näher als der angekündigte Abschied des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder von der Macht. jbh

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