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Geschichts-TV: Zurück in die Zukunft

Ex-„Spiegel“-Chef Stefan Aust begibt sich für seinen Sender N24 auf Zeitreise. Zudem planen die Berliner regelmäßige Thementage.

Wenn er diese Chance schon vor einigen Jahren gehabt hätte, sagt Stefan Aust, dann hätte er seinen Job als „Spiegel“-Chefredakteur sofort aufgegeben. Mehr als 13 Jahre lang stand er dem Hamburger Nachrichtenmagazin vor, bis Ende 2008. Heute ist er 64 und sagt: „Der wichtigste Schritt meines Berufslebens beginnt jetzt.“ Im Juni hatte Aust 26 Prozent der Anteile am Nachrichtensender N24, den die ProSiebenSat 1 Media AG verkauft hat, erworben. Weitere 26 Prozent hält N24-Geschäftsführer Torsten Rossmann. Aust ist aber nicht nur Gesellschafter von N24, sondern auch Moderator. Am Dienstag ist er zum ersten Mal mit seiner Sendung „N24 Zeitreise“ zu sehen, in der er im Wochenrhythmus über historische Themen berichten wird.

Schon als Chefredakteur beim „Spiegel“ und von Spiegel TV sowie als Autor zahlreicher Bücher hat er Themen wie den Nationalsozialismus, die 68er, die „Rote Armee Fraktion“ und die Wende bearbeitet. Mit der „Zeitreise“ will er nun besondere Blicke auf die Vergangenheit werfen. Den Auftakt macht er im 50. Jahr des Mauerbaus mit dem Thema Wendezeit und der Frage, wie sich die Teilung Deutschlands vor allem auf die Entwicklung im Osten auswirkte. Dazu gehören Beiträge wie „Die Kinder Espenhains“ über die dreckigste Stadt der ehemaligen DDR, „Revolte im Politknast“ über einen Gefängnisaufstand und ein „Staat auf Abruf“ über die Ereignisse zwischen dem 40. Jahrestag der DDR und dem Mauerfall.

Produziert wird die Sendung von Austs Firma Agenda Media. Das Material aber wird zu einem „ordentlichen Betrag“ von Austs ehemaligem Arbeitgeber Spiegel TV eingekauft, wo er Chefredakteur und später Geschäftsführer war. „Wir können die Geschichte nicht neu erfinden, aber in Form von Filmmaterial zeigen“, sagt Aust. So hatte Aust den damaligen Spiegel-TV-Reporter Georg Mascolo – der ihm inzwischen als Chefredakteur beim „Spiegel“ gefolgt ist – einige Tage vor dem 9. November 1989 nach Berlin geschickt. „Wir waren die Einzigen, die die Öffnung des Grenzübergangs Bornholmer Straße mitgedreht haben“, sagt Aust und zählt weitere Ereignisse auf, wie den Sturm auf die Stasi-Zentrale oder erste Berichte vom Schacht Morsleben, wo die DDR ihre radioaktiven Abfälle entsorgt hatte.

Bislang wurden für die erste Staffel von „N24 Zeitreise“ vier von zirka zehn Folgen zur Wendezeit fertiggestellt, welche Themen danach kommen, steht noch nicht fest. „Wir wollen nicht rein chronologisch durch die Geschichte gehen, sondern auch mal vor- und zurückspulen“, verrät Aust. Von Zeitzeugen-TV á la Guido Knopp mit vielen Interviewstrecken oder nachgestellten Szenen hält Aust wenig.

Der verhältnismäßig späte Sendetermin nach 23 Uhr ist für Aust eher von Vorteil. Zur Primetime ist die Konkurrenz für N24 seitens der großen Sender immens, am späteren Abend jedoch interessiert sich die Kernzielgruppe der 20- bis 59-jährigen Männer verstärkt für Dokumentationen oder Reportagen. Nicht nur in dieser Gruppe, sondern insgesamt will Aust die N24-Quote, die in der werberelevanten Zielgruppe (14 bis 49 Jahre) zurzeit durchschnittlich bei 1,3 Prozent liegt, weiter steigern, ebenso die Werbeerlöse. Dass Spiegel TV zurzeit schwächelt, zuletzt Aufträge in Millionenhöhe verlor und fast 40 der 260 Mitarbeiter entlassen muss, sieht er nicht als schlechtes Vorzeichen für die Entwicklung von N24. „Im Gegensatz zu Spiegel TV haben wir einen eigenen Sender und damit direkten Zugang zu den Zuschauern und zur Werbewirtschaft“, sagt er.

Aus seiner Zeit bei Spiegel TV hat Aust trotzdem etwas beibehalten: seinen nüchternen Moderationsstil. Neu ist hingegen das virtuelle Studio am Potsdamer Platz, wo er die „N24 Zeitreise mit Stefan Aust“ aufzeichnet.

Neben der Sendung hat sich der Berliner Sender ein weiteres anspruchsvolles Ziel gesetzt: Einmal im Monat soll ein Ereignis von besonderer geschichtlicher Bedeutung zu einem Thementag gebündelt werden. Auch hieran wird Aust, der bei N24 die Reportagen verantwortet, maßgeblich beteiligt sein. Zu den Themen in diesem Jahr gehören der Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion vor 70 Jahren oder die Urteile bei den Nürnberger Nazi-Prozessen im Jahr 1946.

Je nach Thema werden die Schwerpunkte mit Reportagen oder auch einer Talksendung angereichert. Bei lange zurückliegenden Ereignissen wie der Eroberung des Südpols vor 100 Jahren – der Jahrestag steht im Dezember an – bietet sich das zwar nicht an, anders als bei einem Thementag zu Afghanistan. Ein regelmäßiges Talkformat sei dies jedoch nicht, so Aust. „Es ist nicht mein Lebensziel, vor der Kamera zu stehen“.

„N24 Zeitreise mit Stefan Aust“, 23 Uhr 05, N24

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