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"Das ausgelaufene Öl ist eine Tragödie, die niemals hätte passieren dürfte", sagt BP-Manager Tony Hayward. Der Konzern gerät immer stärker unter Druck.

© dpa

Glücksfall Krisen-PR?: Aufklärung, brutalstmöglich

Wo Shell mit Brent Spar Erfolg hatte, versagt BP bei der Ölpest nun auf ganzer Linie - welche Fehler Kommunikationsprofis vermeiden sollten.

Mit diesem Video auf Youtube hat BP nur eines richtig gemacht: dass die Kommentarfunktion von vornherein deaktiviert wurde. Denn die „Botschaft von Tony Hayward“, dem Vorstandschef von BP, zeugt vor allem von einer unvorstellbaren Ignoranz: „Das ausgelaufene Öl ist eine Tragödie, die niemals hätte passieren dürfte“, sagt der BP-Manager und blickt zerknirscht in die Firmenkamera. „BP übernimmt dafür die volle Verantwortung und wird alles tun, um die Golfküsten zu reinigen.“ Doch die Bilder, die nun ablaufen, lassen mitnichten erkennen, dass BP das Ausmaß der Katastrophe, die vor acht Wochen mit der Explosion der Ölbohrinsel Deepwater Horizon im Golf von Mexiko begann, akzeptiert hat. Die Sandstrände in dem Video sind so klinisch rein wie Haywards weißes Hemd, am aberwitzigsten aber sind die Aufnahmen von drei fröhlich lächelnden Helferinnen, die einem Pelikan ein Schaumbad verpassen. „Wir wissen, dass wir sie über alles informieren müssen, und werden alles tun, dass so etwas nie wieder passieren kann“, schließt Hayward den 60-Sekunden-Werbeclip, ein Tiefpunkt in der PR-Geschichte mit Meeresrauschen und Vogelstimmen im Hintergrund.

1995 stand ein anderes Ölunternehmen am Pranger: Die geplante Versenkung der Nordsee-Plattform Brent Spar erregte über sechs Wochen die Öffentlichkeit, bis Shell dem massiven Druck vor allem auch der deutschen Bevölkerung nachgab und die Pläne stoppte. „Am Sonntag ist es genau 15 Jahre her, dass Shell den Beschluss fasste, Brent Spar doch nicht zu versenken“, sagt Klaus-Peter Johanssen. Der heute 72-Jährige leitete von 1987 bis 1998 die Kommunikationsabteilung von Shell Deutschland und musste in dieser Zeit die bis dahin längste Krisensituationen eines Öl-Unternehmens in den Griff bekommen. „Im Juni 1995 standen wir im Zentrum der Berichterstattung in Deutschland, die Proteste eskalierten. Am Vorabend des evangelischen Kirchentages in Hamburg wurde eine Tankstelle in Brand gesetzt, es folgten Boykottaufrufe, das Management war vierzehn Tage nur noch mit Bodyguards unterwegs“, fasst Johanssen die Ereignisse zusammen. Dabei musste der Kommunikationsprofi an zwei Fronten zugleich kämpfen. Extern verteidigte er als loyaler Vertreter von Shell die geplante Versenkung der Ölplattform, intern versuchten die Deutschen alles, um die Zentrale in England zu überzeugen, dass der Imageschaden für das Unternehmen jeden Tag größer würde und ein Umlenken unvermeidlich sei. Dort wollte man davon anfangs nichts hören und forderte die Deutschen auf: Macht endlich eine anständige Pressearbeit, in England ist uns das schließlich auch gelungen.

Brent Spar ist inzwischen ein Lehrstück für eine effektive Krisenkommunikation. Noch immer wird Klaus-Peter Johanssen zu Tagungen, Kongressen und Universitätsvorträgen eingeladen. Auch in Buchform („Mit Erfahrung aus der Krise“) hat er sein Wissen gepackt. Immerhin: Shell hat am Ende eingelenkt. Mit der Kampagne „Wir werden uns ändern“ drehte Johanssen die Stimmung, indem er zeigte, „dass wir uns nicht nur kurzfristig dem öffentlichen Druck gebeugt haben, sondern uns dauerhaft ändern wollen“.

Bei BP ist von dieser Lehre allerdings kaum etwas angekommen. Weder wird Transparenz über die Situation am Golf von Mexiko hergestellt noch gibt es eine uneingeschränkte Kooperation mit den wichtigen Kräften wie den US-Behörden und den Nichtregierungsorganisationen. Auch am Verständnis für die Betroffenen mangelt es nach wie vor.

Für Johanssen stellt sich daher die Frage, auf wen BP-Chef Tony Hayward hört, seinen Kommunikationschef oder seinen Justitiar? Bei den Summen – allein der Bürgschaftsfonds hat ein Volumen von 20 Milliarden Dollar – hört er offenbar auf die Rechtsexperten. Dabei ist eines sicher: Am Ende kommt alles heraus, und dann ist der Imageschaden immer größer als der materielle Schaden. Gerade Brent Spar habe gezeigt, welchen nachhaltigen Imageschaden ein solches Desaster anrichten kann, sagt Johanssen. Shell hat sich davon noch immer nicht vollständig erholt, ein solches Ereignis brennt sich ins globale Gedächtnis der Menschen ein. Haywards Verhalten, das von den Teilnehmern des Kongressausschusses am Donnerstag in Washington erneut kritisiert wurde, könnte aber auch eine ganz andere Ursache haben. „Nur wenige Manager sind in der Lage, eigene Schwächen einzugestehen. Auch bei BP-Chef Hayward kann ich aus den TV-Bildern nicht erkennen, dass er erfolgreich beraten wird“, sagt Stefan Korol, Journalistikprofessor an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und Vorsitzender des Bundesverbandes der Medientrainer in Deutschland.

Korol hat 15 Jahre als TV-Journalist gearbeitet und war selbst Medientrainer. Er weiß, dass viele Chefs glauben, auf ein Medientraining verzichten zu können, und lieber die zweite oder dritte Managementreihe zu den Schulungen und Seminaren schicken. Unabhängig davon ist BP für Korol das beste Beispiel, dass es den Unternehmen häufig am Willen fehlt, offen zu kommunizieren: „Wenn sich Hayward hinstellt und sagt: ,der Ozean ist so groß, da spielt das bisschen Öl keine große Rolle‘, dann hat das nur noch mit Ignoranz zu tun. Ihm fehlt jedes Gespür für die gesellschaftliche Verantwortung.“ Das sei keine Frage eines erfolgreichen Medientrainings, sondern der Wertschätzung für Natur und Umwelt und der Menschen, die von dieser Katastrophe betroffen sind.

Zu den technischen Fehlschlägen am lecken Bohrloch kommen die eklatanten Kommunikationsfehler: Statt größtmöglicher Offenheit müssen Journalisten, die von den Aufräumungsarbeiten an den US-Stränden berichten wollen, sich erst in einer mehrere hundert Kilometer entfernten Stelle eine Genehmigung besorgen. „Das ist durchsichtig und dumm und ungeeignet, zum Beispiel Bilder von ölverschmutzten Pelikanen zu verhindern“, ärgert sich Johanssen – und genauso aussichtslos wie der Versuch, die Medien mithilfe offizieller Stellen daran zu hindern, sich per Flugzeug einen Überblick über die Katastrophe zu verschaffen. Katastrophal sind zudem nach Johanssens Einschätzung die geschönten Bilder wie auf jenem ominösen Werbeclip mit Hayward. „Das ist einer der großen kommunikativen Fehler, weil ich in dieser Situation doch gerade zeigen müsste, wie dramatisch die Situation ist. Nur so kann ich signalisieren: Ich nehme diese Herausforderung ohne Wenn und Aber an.“ Wie verzweifelt die Unternehmenskommunikation von BP ist, zeigen aber genauso die hilflosen Versuche, über teure Medienkampagnen und die Buchung von Google-Textanzeigen beispielsweise zu „oil spill“ (Ölpest) die Aufmerksamkeit in bestimmte Bahnen lenken zu wollen.

Das muss für BP kein Grund sein, nun aufzugeben, sagt Korol: „Es gibt keine verlorenen Fälle, die Kommunikation muss immer weitergehen. Ich hätte kein Problem damit, wenn BP morgen zugibt, dass es nicht nur technische Probleme, sondern auch solche in der Kommunikation gegeben hat. Viel schlimmer wäre es, nun darauf zu beharren, alles richtig gemacht zu haben.“ Nach Johanssens Erfahrung kann BP nur noch helfen, sich radikal eine neue Kommunikation zu verordnen. Dazu gehört: schonungslos das Ausmaß der Katastrophe benennen, die eigenen Fehler eingestehen, die Anstrengungen zur Beseitigung noch deutlicher zu machen und zu zeigen: „Wir werden uns ändern“. Ob das BP gelingt? Ex-Branchenvertreter Johanssen hat seine Zweifel daran.

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