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Google Street View: Mit der Macht der Bilder

Trotz massiver Kritik will Google mit Street View noch in diesem Jahr in 20 deutschen Städten, darunter auch Berlin, starten. Warum ist der Dienst so umstritten?

Das Projekt war im Frühjahr 2008 noch streng geheim. Niemand wusste, seit wann die dunklen Opel Astras auf Berlins Straßen unterwegs waren. Auch nicht wie viele. Aber sie wurden gesichtet. Bereits vor zwei Jahren ließ die US-Internetfirma Google ganz Berlin fotografieren, mit Autos, die in Schrittgeschwindigkeit eine Straße nach der anderen abfuhren. Auf den Dächern waren Teleskopmasten mit Spezialkameras befestigt, die vollautomatisch und im Sekundentakt fotografierten, nicht nur in Berlin. Die Street- View-Autos haben seitdem in 20 deutschen Städten zehntausende Fotos in einer 360-Grad-Rundumsicht aufgenommen. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis Google versuchen würde, nach anderen Ländern auch den deutschen Markt mit Street View zu erobern.

Was ist die Idee hinter Street View?

Google verdient sein Geld mit Werbung. Um Werbung geht es daher in erster Linie auch bei Street View. Mit dem lebensechten Abbilden von Straßenzügen oder Plätzen verspricht der Internetkonzern lokalen Unternehmen eine gezielte Werbung. Eine Pizzeria in München etwa kann mit diesem Tool eine Verknüpfung zu ihrem Menü erstellen. Auch vor der Buchung eines Hotels auf Mallorca könne man sich damit einen guten Eindruck von der Lage verschaffen. Immobilienmaklern verspricht Google mit Street View eine gezieltere Ansprache von Interessenten. Künftig sollen die Stadtbilder zudem in die Navigation auf mobilen Geräten eingebunden werden. Gerade den lokalen Werbemarkt sehen Branchenkenner als enorm ausbaufähig. Entsprechend groß ist Googles Interesse, das auf lokale Werbung zielende Projekt weltweit gegen alle Widerstände durchzusetzen.

Wie funktioniert der Service?

In den USA gibt es Street View, vom Unternehmen selbst als „dreidimensionaler Stadtplan“ bezeichnet, schon seit 2007. Mittlerweile hat Google Panoramabilder aus 23 Staaten in seinen Service integriert, darunter aus Spanien, Frankreich, der Schweiz und neun weiteren Ländern in Europa. Auf 360-Grad-Ansichten aus Paris oder Rom sind Straßenszenen zu sehen, Häuserreihen, das Kolosseum oder der Zürichsee. Jeder abgelichtete Ort wurde von einem Auto aus Bild für Bild aufgenommen, anschließend wurden die einzelnen Bilder zu einem Panoramafoto zusammengesetzt. Zu sehen sind deshalb keine Live-Bilder, sondern Fotos von öffentlich zugänglichen Orten. Gesichter und Autokennzeichen wurden darauf unscharf bis unkenntlich gemacht.

Was kritisieren Datenschützer?

Ursprünglich wollte das Unternehmen den Dienst in Deutschland bereits im Frühjahr 2009 starten. Doch Datenschutzexperten haben die Einführung von Street View bis dato verhindert. Mit einem 13 Punkte umfassenden Anforderungskatalog wurde Google zur Nacharbeit verdonnert. So sollte das Unternehmen eine Technologie einsetzen, die Gesichter und Autokennzeichen vor der Veröffentlichung derartiger Aufnahmen verschleiert. Außerdem gab es die Auflage, Widerspruchsmöglichkeiten einzurichten, die bearbeitet werden können. Die Datenschützer kritisierten weiter den undurchsichtigen Umgang Googles mit den erfassten Rohdaten. Hier bestanden die Datenschützer darauf, die bereits gemachten Fotos unverzüglich zu löschen. Überhaupt sollte der Konzern offenlegen, wie er mit den Daten umgeht. Mit diesen Vorgaben sollte verhindert werden, dass Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Zwar handele es sich um öffentliche Orte, geben Experten zu. Allerdings entstehe eine unschätzbare Macht, wenn einzelne öffentliche Informationen gebündelt werden. Mit der massenhaften Veröffentlichung umfassender Straßenbilder bekomme der weltweite Einblick in das private Wohnumfeld eine ganz andere Dimension. So äußerte der Kommunalpolitiker Reinhold Harwart aus Molfsee bei Kiel vor zwei Jahren die Befürchtung, dass über Street View „jeder Kriminelle mit dem Laptop auf den Knien seinen nächsten Einbruch planen“ könne.

Hat Google alle Kritikpunkte ausgeräumt?

Datenschützer warten noch skeptisch ab, was Google demnächst präsentieren wird. Ein Widerspruchsformular wurde angekündigt, und der Konzern hat versprochen, Gesichter und Autokennzeichen unkenntlich zu machen sowie die Rohdaten zu löschen. Allerdings überrumpelte Google die Datenschützer nun mit seiner Ankündigung. Dieses Vorgehen lässt die Datenschützer daran zweifeln, dass alle Versprechen auch tatsächlich eingehalten werden. Korrekt wäre es ihrer Ansicht nach gewesen, hätte Google noch einmal mit den Datenschutzexperten über den 13-Punkte-Katalog gesprochen, was nicht geschah. Der in Deutschland für das Projekt zuständige Hamburger Datenschützer Johannes Caspar kritisiert vor allem, dass das Widerspruchstool auf der Google-Seite so kurzfristig eingeführt werde, mitten in der Sommerferienzeit. Die angekündigte Widerspruchsfrist von vier Wochen sei zudem viel zu knapp bemessen.

Wie kann man widersprechen?

Ab der kommenden Woche will Google ein Onlineformular für den Widerspruch zur Verfügung stellen. Widerspruch soll auch nach Ablauf der Vier-Wochen-Frist möglich sein. Allerdings muss man dann damit leben, dass das beanstandete Bild vorerst online steht.

Hausbesitzer und Mieter können von Google fordern, ihr Haus aus dem Dienst herauszunehmen. Ganze Gemeinden haben dieses Recht, das nur Personen zur Verfügung steht, dagegen nicht. Der Konzern hat außerdem versprochen, versehentlich nicht unkenntlich gemachte Gesichter oder Autokennzeichen auf Antrag nachträglich zu verpixeln.

Bislang weist Google noch auf den alten Widerspruchsweg hin. Da heißt es, dass Kritik und Widerspruch an „streetview-deutschland@google.com oder an Google Germany GmbH, betr.: Street View, ABC-Straße 19, 20354 Hamburg“ geschickt werden sollen. Die Google Germany GmbH werde die Nachricht dann an die Google Inc. weiterleiten. Zunächst würde jeder schriftlich eingegangene Widerspruch mit einer Eingangsbestätigung beantwortet. Sobald es eine bei Street View integrierte Möglichkeit gebe, Häuser und Grundstücke unkenntlich zu machen, werde man erneut benachrichtigt. Dabei soll auch erklärt werden, wie man dies genau veranlassen kann. Wem das zu umständlich ist, kann sich auch von der Internetseite des Bundesverbraucherschutzministeriums Musterschreiben für einen Widerspruch nach herkömmlicher Art runterladen oder online ausfüllen.

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