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Günther Jauch

© dpa

Günther Jauch zum Gesundheitssystem: Dieser Talk war eine Qual

Bei Günther Jauch ging es diesmal nicht um Griechenland oder die Ukraine, sondern um den Ärztemangel. Für die Zuschauer wurde die Sendung zur Qual - denn die wirklichen Sorgen der Betroffenen kamen kaum zur Sprache.

Die Zuschauer im Studio applaudieren das erste Mal nach einer halben Stunde – eine ungewöhnliche lange Zeit für eine Fernsehtalkshow. Vor allem dann, wenn das Thema im Prinzip eines ist, das jeden interessiert und zu dem auch jeder eine Meinung hat: Günther Jauch lud ein, um über Ärztemangel und zu lange Wartezeiten zu diskutieren. „Von wegen, der Nächste bitte...“ lautete der Titel, und obwohl Jauch mit Schwung anfing, weil er zu Beginn wohl auch noch hoffte, beendete er die Sendung knapp zwei Minuten zu früh, weil er wohl einsah, dass das alles irgendwie doch keinen Sinn machte. 

Aber der Reihe nach: Natürlich kann man sich wundern, dass es in der vermeintlich wichtigsten politischen Talkshow im deutschen Fernsehen im Moment nicht um Griechenland oder um die Ukraine ging, sondern um den Ärztemangel – aber auch politische Magazine bringen gerne mal Titelgeschichten über Rückenschmerzen. Immerhin versuchte Jauch auch zu Beginn einen aktuellen Anlass herbei zu moderieren, indem er auf die momentane Grippewelle hinwies, die viele Deutsche gerade beschäftigt. 

Günther Jauch: Langweilig wie "Fifty Shades of Grey"

Andererseits: Viele Deutsche schauen sich im Moment den Film „Fifty Shades of Grey“ an – da würde doch auch niemand in der Jauch-Redaktion auf die Idee kommen, mal eine Sendung über den Trend „Sanfte Gewalt“ zu machen. Aber da warten wir mal bis kommenden Sonntag. An diesem Sonntag jedenfalls gab es eine Talkshow, die ähnlich langweilig war, wie „Fifty Shades of Grey“ sein soll – die Qualen sind wohl nur unterschiedlich. 

Der Talk war eine Qual, weil für den Zuschauer an keiner Stelle erkenntlich wurde, was eigentlich genau das Problem ist – und wie man es lösen könnte. Philosophischer Höhepunkt war der Satz: „Wir haben ein Gleichzeitig von zu viel und zu wenig.“ Da kann einem vor dem Fernseher am Sonntagabend schon mal schwindelig werden.

Hermann Gröhe wurde nicht schwindelig – der lächelte sich durch die Stunde, wahrscheinlich weil er sich vor Freude nicht mehr einkriegte, dass man in Zeiten wie diesen als Gesundheitsminister überhaupt noch mal in eine Talkshow eingeladen wird. Gröhe versuchte dann auch Werbung zu machen für sein „Versorgungsstärkungssetz“, dessen Umsetzung aber genau so nebulös blieb wie der Name. Das Ziel soll angeblich sein, dass niemand länger als vier Wochen auf einen Arzttermin warten muss. Komischerweise klatschte da niemand, es blieb auch gespenstisch ruhig, als ein Notfallarzt erklärte, in Deutschland gebe es eine „simulierte unbegrenzte Verfügbarkeit“. Erst als es dann über den Unterschied zwischen Kassen- und Privatpatienten ging (den es für den Chef der kassenärztlichen Vereinigung eigentlich kaum gibt), gab es den zweiten und letzten Applaus der Show. 

Es ging um Struktur, Demographie und Abrechnungstabellen

Kurz vor dem Ende sagte Jauch, dass es „ungewöhnliche viele“ Mails an die Redaktion gegeben habe, in denen die Leute berichteten, wie lange sie schon auf Arzttermine gewartet hätten. Umso ärgerlicher ist es dann für die Zuschauer, die das Thema anscheinend tatsächlich interessiert, dass sie als Patienten in der Diskussion keine Rolle gespielt haben – es ging um Struktur, Demographie und Abrechnungstabellen; und das ist der eigentliche Skandal der Sendung: Wenn man schon ein so populäres Thema macht, dann sollte man die Sorgen derjenigen ernst nehmen, die das auch interessiert und nicht die ganze Zeit so tun, als hätten die Deutschen vom Gesundheitswesen keinen Schimmer. Dann hätte die Sendung konsequenterweise heißen müssen: „Krank oder dumm? Warum die Deutschen nicht richtig zum Arzt gehen können.“ Aber, ach, zum Glück gibt es im deutschen Fernsehen ja keine Talkshowunterversorgung.

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