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Ins Philosophieren kommen: Auch auf Social-Media-Kanälen.

© Tsp

Hedonismus, Egoismus oder Zweifel: Sokrates in Berlin

Das Arte-Magazin „Streetphilosophy“ stellt die großen Fragen bei Demos, Dönerbuden und Spätis.

Ein junger Mann fährt mit dem Fahrrad durch die Straßen Berlins, im Hintergrund die Silhouette vom Alexanderplatz, später steht er in einer Disco, Zigarette im Mund. Dann, nach diesem Intro, sitzt er im Beichtstuhl, bei Pater Cornelius in der St.-Bonifatius-Gemeinde. Die Fragen des Mannes: Warum sind wir egoman? Wie kann ich meinem Egotum Grenzen setzen? Wieder ein paar Minuten später bei einer TTIP-Demo an der Seite einer Linken-Politikerin, die ihr Anliegen, die Folgen eines Freihandels-Abkommens erklärt. „Du hast die Verantwortung!“

Philosophie im Fernsehen – das kann dialogischer Diskurs sein wie bei Richard David Precht wieder an diesem Sonntag oder beim „Philosophischen Quartett“ mit Peter Sloterdijk und Rüdiger Safranski, das sich 2012 nach zehn Jahren mitternächtlichen Abarbeitens an den großen gesellschaftspolitischen Themen vom Bildschirm verabschiedete. Oder, mal nicht in der Nacht, vom Denkerstübchen heraus auf die Straßen von Kreuzberg und Neukölln, beim Grimme-Preisgekrönten Magazin „Streetphilosophy“, das am Sonntagmittag auf Arte in die zweite Staffel geht.

Eine Suche mit ungewissem Weg und ungewissem Ziel

Ein Format, das den Zuschauer mit auf die Straße nimmt, auf eine Reise, die verdeutliche, was Philosophie auch sei: „eine Suche – mit ungewissem Weg und ungewissem Ziel“, so die Grimme-Jury. Ein Mann namens „Jonas“ (Jonas Bosslet), der sich in Berlin seriösen philosophischen Themen und ethischen Herausforderungen stellt, wie der überraschenden These „Empörung als Lifestyle“, dazu eine Schwarz-Weiß-Optik – das Konzept mit dem sokratischen Ansatz ist so frappant, dass die Macher in Staffel zwei nicht viel verändert haben. Dominik Bretsch und Simon Hufeisen von der Berliner Produktionsfirma „weltrecorder GbR“ hatten das Format entwickelt und es RBB und Arte vorgeschlagen. „Die Filme der ersten Staffel haben ja sehr gut funktioniert“, sagt Simon Hufeisen. „Was sich vielleicht geändert hat: Durch den Grimme-Preis haben wir für unsere Arbeit die Bestätigung erhalten, genau so weiterzumachen, dass unsere Art, wie wir Geschichten aus Berlin erzählen wollen, zeitgemäß und richtig ist.“

In der zweiten Staffel geht „Streetphilosophy“ Themen wie „Hedonismus“, „Egoismus“ oder „Zweifel“ auf den Grund. „Wir hatten das Gefühl, die passen ziemlich gut zu Berlin“, sagt Hufeisen. Oder auch „Verteidige deine Freiheit!“, weil das einfach ein wichtiges Thema sei und in der aktuellen Debatte um die AfD beispielsweise eine große Rolle spielt. Dafür war das Team mit einer Bürgerwehr in einem Dorf in Brandenburg unterwegs.

Dönerbuden, Demos, Spätis

Gut, man kann die Herangehensweise, den einen oder anderen (kaum vorgestellten!) Protagonisten bei Dönerbuden, Demos oder Spätis naiv nennen, oder den Umstand, dass „Jonas“ mit seinen Fragen für die sogenannte „Generation Y“ stehen soll, die häufig als oberflächlich und entscheidungsunwillig beschrieben wird. Das Format richte sich vor allem an die, „die Bock auf Berlin, spannende Charaktere und deren Lebensentwürfe haben“, erklärt Hufeisen. „Für uns ist wichtig, dass die Menschen, die Jonas in den Filmen trifft, eine Reibungsfläche haben, dass sie nicht glatt und korrekt sind.“

Zeitgemäß sind auch die Abspielkanäle. Lineares Fernsehen ist ja fast out, wie „funk“, das Jugendangebot von ARD und ZDF zeigt. „Streetphilosophy“ soll im TV und auf dem iPhone funktionieren, samt Social-Media-Format, um mit der Zielgruppe ins Philosophieren zu kommen. Die ersten fünf Folgen sind vorab bei Arte online verfügbar. Man soll „Streetphilosophy“ eben schauen, wenn man gerade Lust hat auf Philosophie. Im Hier und Jetzt. Markus Ehrenberg

„Streetphilosophy“, Arte, Sonntag, um 12 Uhr 30. „Precht“, ZDF, 0 Uhr

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