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Medien: „Hi, Miss Lopez, I am Ulli Zelle“

Ein Gespräch mit dem rasenden RBB-Reporter über Prominenz, Moderieren im Sitzen und die Provinz

Herr Zelle, Sie sind überall und ständig im Einsatz. Ein journalistischer Tausendsassa?

Vielleicht gehöre ich einer aussterbenden Spezies an: Reporter, Autor, Moderator, alles zusammen. Ich fühle mich auf vielen Feldern wohl. Und vor allem: Ich liebe die Abwechslung.

Und Sie sind ein alter Fernsehhase. Haben Sie einen Trick, mit dem Sie die Leute zum Reden bekommen?

Das Allerwichtigste ist, meinem Gegenüber den Eindruck zu vermitteln, dass ich ihn ernst nehme, dass ich ihn respektiere.

Und wenn gar nichts gehen will, blicken Sie mit Ihren unschuldigen Blick bewundernd zu Ihrem Gegenüber auf.

Augenkontakt ist doch ganz wichtig. Weil so signalisiert wird, ich bin jetzt ganz und gar für dich da.

Sie sind da, wenn der Bundespräsident ruft, Sie tummeln sich auf der Berlinale: Welche Größen hatten Sie schon vor Ihrem Mikrofon?

Gorbatschow, Mick Jagger, Jennifer Lopez, Leonardo DiCaprio …

… holla, Sie kennen sie ja alle.

Ich habe mit ihnen gesprochen. Aber ich muss Ihnen sagen, es hilft einem im Leben nicht wirklich weiter.

Ihr schwarzes Adressbüchlein muss doch vor Telefonnummern von Weltstars überquellen – ein wahrer Schatz.

Diesen Schatz hat mein dreijähriger Sohn schon mal unbemerkt im Müll versenkt. Zu den geretteten Daten gehört die New Yorker Adresse von Yoko Ono, die sie mir mal ins Büchlein geschrieben hat.

Berlin ist eine internationale Metropole. Ist der RBB der Sender, der diesem Anspruch gerecht wird?

Der RBB mag klein sein, aber er ist am richtigen Platz. Dass der RBB provinziell sei, ist eines dieser Klischees, die immer wieder gerne bemüht, aber dadurch auch nicht wahrer werden. Wir sind genauso viel oder wenig provinziell wie der Tagesspiegel oder die „Berliner Zeitung“.

Okay. Sagen wir also: Der RBB ist ein internationaler Regionalsender.

So können Sie es sehen. Schon durch die vielen Menschen, die in die Stadt kommen, haben wir Verbindungen in die ganze Welt. Das ist in Kiel, Köln oder Wiesbaden schon ein bisschen anders.

Was sagt denn ein Star wie Jennifer Lopez, wenn Sie sie mit „Hi, ich bin Ulli Zelle vom Rundfunk Berlin-Brandenburg“ begrüßen?

Ich sage, „Hi, Miss Lopez, I am Ulli Zelle, German Television“. Dann geht das schon.

Und was ist, wenn Sie im Wedding auf Elsa Kasupke treffen?

Dann sagt Elsa Kasupke zu mir, noch bevor ich dazu komme etwas zu sagen: „Hallo Ulli, was treibt Sie denn zu uns?“ Ich gehe gerne in die Kieze, ich fühle mich im Wrangelkiez genauso aufgehoben wie auf dem roten Teppich bei der Berlinale. Diese Abwechslung trägt zur Reife eines Reporters bei.

Sie sind überall dabei. Gibt es etwas, das Sie nicht so sehr mögen?

Die Glamourecke mit C-, D-, E- oder F-Prominenz. Da halte ich mich fern, wenn es geht. Irgendein Sternchen zu interviewen, das gerade mal seit zwei Wochen bekannt ist, da fehlt mir ein bisschen die Begeisterung. Können Sie mir verraten, was ich eine Frau Gsell oder Kader Loth fragen soll?

Nein. Wer ist in Berlin weltbekannter – Sie oder der Regierende Bürgermeister?

95 Prozent aller Berliner kennen Klaus Wowereit. Wie viele mich kennen, weiß ich nicht, aber wenn wir die „Abendschau“ zum Maßstab nehmen, die guckt jeder dritte Berliner. Also rund 30 Prozent müssen für einen Reporter genügen.

Jetzt ist der rasende Reporter Ulli Zelle ein bisschen ruhiger geworden. Sie moderieren das „rbb café“. Wenn wir ganz ehrlich sind, haben wir noch nicht begriffen, was die Sendung sein will.

Die Mischung macht’s. Ich sag’s mal am Beispiel Curry, in Berlin ja besonders beliebt. Wo wächst Curry? Nirgends. Curry ist eine Mischung aus X verschiedenen Gewürzen. Und schmeckt den Berlinern.

Was reizt Sie am „café“?

Da ich bisher keine Studioerfahrung hatte, dachte ich mir, warum die Chance nicht nutzen. Nach den ersten Sendungen muss ich allerdings zugeben: Studioarbeiter zu sein, ist anfangs nicht ganz einfach.

Weil Sie jetzt im Sitzen arbeiten müssen?

Auch das. Ich bin von meiner Konstitution her eher ein mobiler Mensch und gern unterwegs. Wenn es geht auch jenseits der Grenzen Berlin-Brandenburgs. Ich habe schon in Minsk, in Kaliningrad, in Paris oder New York, in Kamerunoder Australien gedreht. Aber solche Reisen machen nicht nur Spaß, man lernt auch sehr viel. Zum Beispiel Berlin in der richtigen Relation zu sehen. Ich muss zugeben, die Drehreisen in die Ferne fehlen mir manchmal ein bisschen.

Pasewalk, Finsterwalde, Wedding und Kreuzberg sind doch auch ganz schön.

Überall, selbst in Finsterwalde, gibt es Menschen, die etwas zu erzählen haben und im Zweifel mehr von der Welt gesehen haben als Sie und ich zusammen. Provinz ist nicht immer nur provinziell. Ich bewundere zum Beispiel all die Menschen, die den Mut haben, irgendwo im hintersten Winkel etwas Neues zu wagen. Gerade war ich in der Lausitz, wo ein belgisches Unternehmerehepaar nach Stationen in Antwerpen und Westafrika im Osten Brandenburgs Schokolade herstellt. Es gibt viel mehr solcher Menschen, als man denkt. Alles Provinzler?

Wie kommen Sie als Hauptstädter in Brandenburg an?

Lange war ich „der Berliner“. Das hat sich geändert, seitdem ich das „Heimatjournal“ mache. Jetzt werde ich auch in Prenzlau oder Cottbus erkannt.

Sind Sie ein Missionar?

Wenn Sie damit meinen, ich würde den Leuten sagen wollen, seht her, die Welt ist schön, freut euch des Lebens, dann: nein. Ich versuche abzubilden, was ich vorfinde. Ich bin Reporter, nicht mehr, nicht weniger.

Was macht einen guten Reporter aus?

Neben den klassischen Eigenschaften wie Neugierde, Interesse an der Sache, Lust auf Menschen, der Fähigkeit, Kompliziertes in wenigen Sätzen verständlich zu vermitteln, gibt es einen persönlichen Kernsatz: „Immer dabei sein, nie dazugehören“. Also sich nicht im Anschluss an eine Veranstaltung am Buffet laben, nicht mit der Prominenz an denselben Tischen stehen. Ich sehe mich als Medienarbeiter. Wenn die Arbeit getan ist, gehe ich vielleicht noch auf ein Bier in meine Stammkneipe und lasse sacken.

Aber warum sollte sich der Reporter von der Prominenz fernhalten?

Weil das Folgen hat. Es birgt die Gefahr der Verpflichtung, der mangelnden Distanz. Und schon sind Sie nicht mehr so frei, wie Sie es sein müssen. Oder: Wie ich es sein muss.

Das Interview führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

„rbb café“, 17 Uhr 10, RBB-Fernsehen

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