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Medien: Hilfe, die Zielgruppe stirbt aus

Warum die Kinderzeitschriften an Auflage verlieren

Eigentlich klingt das, was Ralf Bauer, Leiter der Marktforschung beim Egmont Ehapa Verlag, sagt, positiv: Die Einkommen der Kinder sind gestiegen, gegen den Trend. Die sechs Millionen Sechs- bis Dreizehnjährigen in Deutschland haben laut Bauer 5,5 Milliarden Euro jährlich zur Verfügung. „Bei den eigenen Sprösslingen sparen die Eltern zuletzt.“ Dann ist das Werbevolumen in der Zielgruppe angestiegen. Es werde immer wichtiger, die jungen und jüngsten Konsumenten zu erreichen, weil die „Markenbindung für später“ schon früh beginnt. Bauers Verlag ist Marktführer bei Comics und Kinderzeitschriften, das Flaggschiff „Micky Maus“ ist mit einer Auflage von durchschnittlich rund 390 000 Exemplaren die meistgelesene Kinderzeitschrift – trotzdem hat Bauer ein Problem. In den 90er Jahren wurden wesentlich mehr Mickey-Maus-Hefte verkauft, bis zu 800 000. Der Rückgang ist symptomatisch für die Branche. Die Kinderzeitschriften verlieren an Auflage.

Die Gesamtauflagen sind im Grunde stabil geblieben, ergänzt Bauer, nur hat sich der Kuchen in kleinere Stücke aufgeteilt. Bei life! Mediahouse, der Verlagsvertretung von Panini, sieht man auch die Konkurrenz durch andere Medien als Grund für den Rückgang. Geschäftsführer Rolf Coppenrath sagt: „Der Medienkonsum der Zielgruppe teilt sich auf die verschiedenen Angebote auf. Allein die enorme Anzahl von Programmen für Kinder im Fernsehen, aber ebenso Internet und Spielekonsolen.“ Auch wenn ihm das Werbeverhalten der Anzeigenkunden als „stabil“ erscheint, hat er beobachtet, dass „gerade in den letzen Monaten immer mehr ins Fernsehen abgewandert sind, beispielsweise Hasbro, Lego oder Mattel, die teilweise aus den USA gesteuert werden. Sie glauben, dort die Zielgruppe eher anzutreffen.“

Susanne Krüger, Professorin an der Hochschule der Medien in Stuttgart und Leiterin des Instituts für Kindermedien, glaubt, dass die kommerziellen Kinderzeitschriften heute mehr denn je als Teil eines Medienverbundes auftreten müssen. Das wird auch von Coppenrath bestätigt: Die Kinderzeitschriften müssten über verschiedene Plattformen vermarktet werden. „Videospiel, Print, TV, Merchandising-Produkte – alles greift ineinander.“ Die Verbindung der verschiedenen Medienpartner sei in vollem Gang, etwa beim „Pokito“-Magazin, das auch als Sendung auf RTL 2 läuft: Zeitungs- und TV-Redaktion sprechen sich inhaltlich ab und steuern gemeinsam die Vermarktung.

Nur die Verlage, die Wissensinhalte für Kinder vermitteln, sind trotz des allgemeinen Auflagenschwunds optimistisch. Der Verlagsleiter der „Geo“-Gruppe, Gerd Brüne, sagt zum Beispiel: „,Geolino‘ wächst weiter, auch wenn die Dynamik etwas abgeschwächt ist. Mit einer Auflage um 270 000 sind wir sehr zufrieden.“ Aus Brünes Sicht werden gut gemachte Kindermagazine weiterhin gute Chancen haben, unter anderem dank der Pisa-Debatte und der Einsicht, dass der Faktor „Humankapital/Wissen“ eine der wichtigsten Grundlagen unserer Volkswirtschaft darstellt. „Eltern, die wollen, dass ihre Kinder eine Zukunft haben, werden in die Bildung dieser Kinder investieren. Und damit ist der Boden für ,Geolino’ und ähnliche Magazine bereitet.“ Im Gegensatz dazu würden Väter und Mütter allergisch auf die Vielzahl der Comics reagieren, die von den Kindern insbesondere wegen billiger Geschenkbeigaben gekauft würden. „Unsere Zielgruppe tauscht sich alle acht Jahre aus“, sagt Brüne. „Aus diesem Grund stehen wir permanent vor der Herausforderung, für eine ausreichende Bekanntheit von ,Geolino‘ in den jeweils nachwachsenden Zielgruppen zu sorgen.“

Ein Problem wird allerdings für alle Kinderzeitschriften immer dringlicher. „Die Gruppe der Kinder schrumpft demografisch, bei den Redaktionen wird das durchaus mit um die zehn Prozent beziffert“, sagt Krüger, „manche Verlage sind schon dabei, sich umzustellen – auf Senioren.“

Wilfried Urbe

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