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Auffahrt. Harald Schmidt geht von Sat 1 zu Sky. Premiere am 11. September. Foto: dpa

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Medien: Hochkultur, Hohlkultur

Letzte Late-Night von Harald Schmidt bei Sat 1. Seine finale Sendung hat nichts von Abschied.

Am Ende ist er von Olli Dittrich in einem Bollerwagen aus dem Studio gefahren worden. Harald Schmidt hatte vorher seine „Spielsachen“ gepackt, darunter ein Sat-1-Ball, und sich ohne große Worte verabschiedet. Dittrich trug ein wirres Kostüm, irgendwas zwischen Sonnenblume und einem gelb kostümierten Clown nach einem Hitzeschlag – er stellte die „Sommerpause“ dar, in die Schmidt sich nun verabschieden würde, wie der in seiner allerletzten Sat-1-Sendung immer wieder betont hatte. Der Begründer der deutschen Late-Night stilisierte seinen Rausschmiss und den erzwungenen Wechsel zum Bezahlsender Sky nicht als Untergang, seine Botschaft war klar: Ich komme wieder. Ob das sehr viele freut? Das Finale bei Sat 1 erlebten nur 660 000 Zuschauer, das waren gerade mal 5,3 Prozent Marktanteil.

Damit aber ja niemand auf die Idee kommt, Schmidt sei am Ende, verzichtete er auf Best-of-Clips oder Danksagungen, die Schmidt vermutlich ohnehin niemand abgekauft hätte, und machte einfach eine ganz normale Sendung. Andererseits, was hätte er überhaupt anstellen können, das er in den letzten Jahren nicht schon angestellt hatte? Eine Sendung auf Nepalesisch statt auf Französisch? 20 Minuten durchgehend schreien statt 20 Minuten durchgehend schweigen?

Der Altmeister wahrte die Contenance, der Sarkasmus-Detektor schlug in gewohnten Höhen aus. Schmidt holte die Sat-1-Fahne ein. Zeigte in einem Einspieler einen Mann, der mit seinen Händen Quietsch-Furz-Geräusche imitierte, der werde nun seinen Sendeplatz einnehmen. Es ist der Sender, der an dieser gescheiterten Beziehung leiden wird, nicht Schmidt, sollte das alles heißen.

Wenn überhaupt, dann war es „Überraschungsgast“ Dittrich, der für Melancholie sorgte, allein durch pure Anwesenheit. Der Gastgeber-Talkmaster musste den Dauergast-Comedian sogar ermahnen, „keine Abschiedsgesten“ zu machen. Dittrich war bereits so häufig bei Schmidt zu Gast, dass es an diesem letzten Abend etwas von Klassentreffen hatte. Als Lehrer hatte Schmidt zusätzlich Ulrich Meyer eingeladen, um ihn zu fragen, wie der das so mache, 20 Jahre bei Sat 1. Immer „Akte“, immer die gleiche Frisur, die gleichen Themen, schwang da im Subtext mit. Meyers Antwort: „Einfach weitermachen.“

Die Kritik der letzten Monate scheint den großen Egozentriker Schmidt schon mitgenommen zu haben. Diesmal wollte er die Zuschauer abholen, nur auf seine Weise. Also fuhr er zu einem Ehepaar nach Hause und nahm es in seinem Auto mit ins Studio. Unterwegs vergaß er kurz seine sonst so streng exerzierte Existenz als Satireroboter ohne Privatleben, sprach über Frau und Kinder, fiel phasenweise gar aus seinem elaboriert-beißenden Duktus heraus.

Ob ARD, Sat 1 oder Sky, „wir haben unser Studio seit 1998, für uns ändert sich gar nichts“, sagte Schmidt. Immer wieder sprach er über seine Abneigung gegen soziale Netzwerke oder vorgeblich „moderne“ Themen, sich ändern, das hat er nicht vor.

Dabei zeigte sich die ganze Bandbreite seiner Show einmal mehr, Hochkultur und Hohlkultur treffen sich, ohne Trennwand: Zu klassischer Musik des Dirigenten Frank Heckel las Charly Wagner einen Herrenwitz vor, in dem „der Vati der Mutter seinen dickadrigen Bestrafer in die …“. Nur seine Zuschauer wirklich zu entrüsten, schaffte Schmidt nicht mehr. Er selbst hat die politisch korrekte Komfortzone des Fernsehens in eine Knautschzone verwandelt; ein Rezept gegen die allgemeine Unfähigkeit seiner Zuschauer, so richtig schön geschockt werden zu können, hatte Schmidt nicht zu bieten. Auch wenn er seit der Ankündigung seines Abschieds wieder Form aufgenommen hatte, in sein persönliches Finale konnte Harald Schmidt sie nicht retten. Nik Afanasjew

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