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Medien: Hürriyet und Housewives

Was nützt der Integration mehr: Massen- oder Minderheitenmedien? Beide, sagen Experten

Türkische Auslandszeitungen und amerikanische Seifenopern verbindet auf den ersten Blick nicht viel. Auch scheint ein mehrsprachiger Radiosender wie Multikulti einem anderen Zweck zu dienen als Casting-Shows à la „Popstars“. Auf den zweiten Blick jedoch haben all diese Medienangebote etwas gemeinsam, so sahen es zumindest viele Teilnehmer einer Tagung zum Thema Medien und Integration, die am Montag im RBB am Theodor-Heuss-Platz stattfand: Sie können zur Integration von Einwanderern und Minderheiten beitragen, allerdings auf unterschiedliche Weise.

Zum Beispiel „Desperate Housewives“. Die Figuren der US-Serie wurden gezielt so ausgewählt, dass sie auch ethnische Minderheiten repräsentieren, erklärte Mitsy Wilson vom Unterhaltungskonzern Fox, der die Serie mitentwickelt hat. „Dabei wurden die Latinos absichtlich nicht als Haushälter oder Gärtner dargestellt, sondern als die reichste Familie der Straße“, sagte Wilson bei der Berliner Konferenz, die das in Bamberg ansässige Europäische Forum für Migrationsstudien (efms) organisiert hatte. Dahinter stehen allerdings auch handfeste geschäftliche Interessen, wie Wilson sagt: „Die Zahl der farbigen Kunden in den USA wächst rapide, wenn wir das nicht berücksichtigen, leidet das Geschäft darunter.“ Das Gleiche gelte für Serien wie „24“ oder die Popsternchen-Kür „American Idol“. Ein Drittel der US-Bevölkerung ist nicht weißer Hautfarbe – mit einer Wirtschaftskraft von drei Billionen Dollar, wie die Fox-Managerin vorrechnet. „Wenn wir diese Vielfalt nicht reflektieren, verlieren wir viele, viele Dollars.“

Ähnliches gilt auch für viele US-Traditionszeitungen. „In Miami ist es heutzutage einfach eine Notwendigkeit, dass viele Reporter Spanisch sprechen und einen entsprechenden Hintergrund haben – weil es bei einem rapide wachsenden Teil der Leserschaft genauso ist“, sagte Mirta Ojito, Professorin von der New Yorker Columbia-Universität. Spezielle „Minderheitenberichterstattung“ lehnt sie jedoch ab. „Migranten müssen einfach Teil der normalen Berichterstattung werden.“

Eine ähnlich zentrale Rolle für die gesellschaftliche Teilhabe verschiedener Kulturen spielen in den USA Minderheitenmedien, diagnostizierte Pueng Vongs von New America Media, einem Verbund von mehr als 700 Zeitungen, Magazinen und Sendern für ethnische Minderheiten. „Ethnisch ausgerichtete Medien sind der am schnellsten wachsende Medienzweig in den USA“, sagte sie. So stehe in San Francisco eine englische Tageszeitung inzwischen acht chinesischen und sieben spanischsprachigen Blättern gegenüber.

Im Gegensatz zur in Deutschland verbreiteten Annahme müssen ethnisch getrennte Medien für die Integration nicht kontraproduktiv sein, hoben viele Teilnehmer der Tagung hervor. Eher ist das Gegenteil der Fall, hat der Erfurter Medienwissenschaftler Kai Hafez erforscht: Studien hätten ergeben, dass Migranten, die in Deutschland Exil-Blätter wie „Hürriyet“ lesen, die eigene Identität gestärkt sehen – zugleich aber auch eine größere Loyalität zur deutschen Gesellschaftsordnung aufweisen.

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