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Zu den 100 einflussreichsten Personen der Welt wurde Arianna Huffington vom „Time“-Magazin gezählt. Nun möchte sie in Deutschland Meinung machen.

© dapd

"Huffington Post": Die Braut, die sich umschaut

Die „Huffington Post“ will nach Deutschland. Doch die Partnersuche ist mühsam. Ein Grund dafür ist das besondere Geschäftsmodell des Portals.

Es erinnert ein wenig an die Komödie „Die Braut, die sich nicht traut“, in der Julia Roberts aus Angst vor der festen Bindung eine Hochzeit nach der anderen platzen lässt. Nur läuft in diesem Fall die Braut nicht weg, sondern ihren möglichen Ehemännern hinterher. Die Braut, das ist die „Huffington Post“, eines der meistgelesenen Nachrichtenportale in den USA. Rund 44 Millionen Leser informieren sich monatlich auf der Seite, die eigene Artikel veröffentlicht, ein Forum für Blogger bietet und auf Artikel anderer Medien verlinkt. „Das Beste aus dem Web“ will Gründerin Arianna Huffington ihren Lesern bieten – egal, ob von eigenen Mitarbeitern verfasst oder von anderen Medien eingesammelt und per Link veröffentlicht.

Ein Erfolgsmodell, das AOL Anfang 2011 für 315 Millionen US-Dollar aufkaufte und das von Huffington bereits für Kanada, Großbritannien, Frankreich und Spanien und in dieser Woche nun auch für Italien kopiert wurde. „Das nächste Land ist Deutschland“, kündigte Huffington anlässlich des gemeinsamen Launchs mit der italienischen Zeitungsgruppe L'Espresso an. Doch gibt es in Deutschland ein Problem: Ein heiratswilliger Partner ist nicht in Sicht.

Spiegel Online hat lange mit Huffington über eine Kooperation gesprochen – und am Ende abgewunken. Auch der Burda-Verlag, dem Arianna Huffington als regelmäßige Teilnehmerin der „Digital-Life-Design“-Konferenz und durch ihre frühere Kolumne im „Focus“ verbunden ist, wurde als möglicher Partner gehandelt. Doch auch hier: kein Interesse. Ebenso wenig bei Gruner + Jahr, der „Süddeutschen Zeitung“ und dem „Handelsblatt“.

Warum ist die in den USA so begehrte Braut für deutsche Verlage offenbar so wenig attraktiv? Zunächst einmal herrschen hier völlig andere Marktbedingungen. In den USA konnte die „Huffington Post“ so erfolgreich werden, weil sie etwas bietet, das es dort vorher nicht gab: aktuelle Nachrichten, dazu Boulevardstücke, Videos und Texte von Bloggern und bekannten Gastautoren.

In Deutschland hingegen ist dieses Feld nicht nur von Spiegel Online und Bild.de abgedeckt, sondern auch von den Webseiten der Tageszeitungen, die Aktualität und Hintergründe liefern. Die deutschen Leser vertrauen diesen Marken, sie wissen, was sie von ihnen erwarten können.

Eine „Huffington Post“ ist für sie dagegen noch eine graue Maus. Sie müsste erstmal ordentlich aufgehübscht werden, um überhaupt neben den bereits bestehenden Marken wahrgenommen zu werden. Mit einem etablierten Verlag an der Seite. Mit einer Kampagne, die knallt. Mit prominenten Namen, die Leser locken.

In den USA ist Arianna Huffington, die vom „Time“-Magazin zu den weltweit 100 einflussreichsten Personen gezählt wurde, gut vernetzt. Dort fällt es ihr leicht, prominente Schreiber zu gewinnen, wie diese Woche Schauspieler Alec Baldwin zum Thema US-Wahlkampf. In Deutschland müsste der Partnerverlag sein Adressbuch für sie öffnen. Aber wer lässt seine Freunde schon freiwillig fremdgehen?

Was hat die "Huffington Post" zu bieten?

Auch das Redaktionsteam selbst soll nur aus wenigen Leuten bestehen, die Räume des Partners sollen genutzt werden. „So müssen wir kein Geld für Büros ausgeben“, sagte Huffington Ende 2011. Das Modell ist also einfach: den großen Namen des Partners nutzen, möglichst wenig selbst investieren, aber den Gewinn – wenn es ihn gibt – dann am Ende bitte teilen.

Was bietet die Braut also, wenn sie schon kaum Aussteuer mitbringt?

Mit der „Huffington Post“ könne der Partner eine „ganz andere Leserschaft“ erreichen, sagte Huffington anlässlich der vor einem Jahr gestarteten Kooperation mit der französischen „Le Monde“. „Nicht nur jüngere Leser, sondern auch Leser, die unsere spielerische Art mögen, wie wir Geschichten präsentieren.“

Video: Leistungsschutzrecht: Google und Co. sollen zahlen

Doch in Frankreich läuft die „Huffington Post“ bisher eher mäßig, 2,2 Millionen Nutzer zählt sie monatlich, „Le Monde“ schafft über sieben Millionen. Die britische „Huffington Post“ kommt auf 4,6 Millionen Besucher, die britische Zeitung „The Guardian“ auf über 30 Millionen Nutzer. In den USA sieht die Situation anders aus. Während die „Huffington Post“ dort im Vergleich zum vergangenen Jahr um fast 20 Prozent auf rund 44 Millionen Besucher gewachsen ist, erreicht die „New York Times“ mit 25 Millionen Nutzern erheblich weniger. Allerdings ist das Angebot der „New York Times“ auch teilweise kostenpflichtig. Arianna Huffington ist dagegen eine strikte Verfechterin eines kostenfreien, allein durch Werbung finanzierten Auftritts. Deshalb passt sie auch nicht zum Springer-Verlag („Bild“, „Welt“), der zunehmend mit Bezahlmodellen liebäugelt.

Angesichts all dieser inneren und äußeren Werte steht für viele Chefredakteure fest, dass Deutschland nicht der nächste Markt für die „Huffington Post“ sein wird – wenn überhaupt einer. Und nicht nur, weil die Partnersuche so mühsam ist. Denn das, was die Website in den USA so erfolgreich macht, könnte hierzulande ihr größtes Problem werden: das Aggregieren von Inhalten.

Das kürzlich vom Bundeskabinett auf Druck der Verlage beschlossene Leistungsschutzrecht steht den Linksammlungen der „Huffington Post“ diametral entgegen. Das neue Recht sieht vor, dass Unternehmen wie die Suchmaschine Google, die direkt oder indirekt daran verdient, dass sie von anderen geschaffene Inhalte über Verweise verlinkt, die Verlage an ihren Erlösen beteiligen sollen. Das würde auch Arianna Huffingtons Portal betreffen. „Ein Leistungsschutzrecht könnte relevant werden, wenn eine deutsche ,Huffington Post‘ neben eigenen Texten in ähnlich großzügigem Stil auch Texte anderer Medien exzerpiert, wie sie das in den USA tut und dort von Anfang an praktiziert hat“, sagt Wolfgang Blau, Chefredakteur von Zeit Online.

Klaus Goldhammer, der mit seiner Berliner Unternehmensberatung Goldmedia Medienfirmen berät, sieht das Leistungsschutzrecht als „zusätzliche, aber durchaus machbare Hürde“ für die „Huffington Post“. Eine größere Herausforderung sei hingegen, ein prominentes Aushängeschild für die Website zu gewinnen. In den USA haben einige Autoren das Portal nach dem AOL-Deal verklagt, weil sie ihre Inhalte kostenfrei zur Verfügung gestellt hatten und nun eine Beteiligung einforderten. Mit der Klage sind die Blogger zwar gescheitert, doch der Ruf der „Huffington Post“ hat ein Stück weit gelitten.

Julia Roberts hat sich in der Komödie am Ende doch getraut. Dass die „Huffington Post“ in Deutschland am Ende vor den Altar tritt, ist noch nicht abzusehen. Aber andere Länder haben auch schöne Verlage, weiß Huffington. Sie hat bereits Brasilien, Indien, Japan und Südkorea im Blick.

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