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Medien: „Hysterische Debatten“

Thea Dorn moderiert den Kulturtalk „Paris-Berlin“

Frau Dorn, „Paris -Berlin“ soll ein Kulturtalk sein. Was verstehen Sie darunter?

Es gibt ein altes Missverständnis, das besagt, Kultur fängt da an, wo keiner mehr etwas versteht. Das ist ein Irrtum. Ich definiere den Begriff weiter. Alle Themen, die die Gesellschaft beschäftigen, können vorkommen. Heute geht es um Islamismus, beim nächsten Mal um Sex in der Kunst. Wir senden abwechselnd aus Deutschland und aus Frankreich. Die Zuschauer werden sicher feststellen, dass die Unterschiede zum Nachbarn größer sind als gedacht.

Sie selbst sind für Ihre Meinungsstärke bekannt. Aber dürfen Moderatoren ihre eigene Haltung in eine Sendung einbringen?

Ich muss meine Gäste und Zuschauer nicht indoktrinieren. Aber der Zuschauer darf nach der Sendung ruhig ahnen, wo ich stehe in der Debatte. Ich finde, es ist eine merkwürdige Entwicklung, dass sehr viele Moderatoren anfangen, Bücher zu schreiben, es aber umgekehrt wenige Autoren gibt, die wie ich Sendungen moderieren. Ich behaupte vorsichtig, dass mein Weg der richtigere ist.

Warum soll das der richtige Weg sein?

Wir brauchen mehr Leute, die bereit sind, ihren Kopf für eine Meinung hinzuhalten, die keine Schattenboxer sind und Angst haben, sich auf etwas festnageln zu lassen, weil sie damit angreifbar werden. Solche Moderatorencharaktere täten dem deutschen Fernsehen gut.

Was wollen Sie anders machen als die Polittalker?

Ich will mit Experten reden, die Überzeugungen haben. Sendungen, die nur auf Experten setzen, gibt es im deutschen Fernsehen viel zu wenige. Stattdessen dominiert die hysterische Debatte. Ich will versuchen, tiefer einzusteigen.

Moderatorinnen wie Anne Will lassen die Diskussionen in ihren Talkshows eher laufen. Dürfen Moderatorinnen überhaupt frech sein oder wären dann die Zuschauer schockiert?

Frech will ich sowieso nicht sein, das ist eines meiner Hassattribute. Ich will auch nicht die Domina im Moderationsanzug geben. Beim SWR moderiere ich bereits seit 2003 und sehe es eher als ein Zeichen von zunehmender Emanzipation und Freiheit, Sachen laufen lassen zu können. Die Kunst besteht darin, einen Instinkt zu entwickeln, wo man dazwischengehen muss und wo nicht.

Aber braucht man nicht ein bisschen Krawall für eine gewisse Quote?

Die Quote interessiert mich nicht so sehr, auf diesem späten Sendeplatz kann ich mich auch nicht danach richten. Natürlich will ich wissen, ob irgendjemand zugeschaut hat. Aber für „Paris-Berlin“ gibt es keine offizielle Zielvorgabe – und damit sind wir auch nicht Teil des Quotenspiels, das die Privaten angefangen haben, weil sich ihre Werbeeinnahmen darüber bestimmen. Dass die Öffentlich-Rechtlichen dieses Quotenrennen so sehr mitmachen, ist keine gesunde Entwicklung.

Warum finden Sie es problematisch, wenn ARD und ZDF eine hohe Quote erzielen wollen?

Sie verspielen damit ihre Legitimation, denn sie sind gebührenfinanziert und müssten sich nicht so gebärden wie die Privaten. Am Ende entsteht da eine bizarre Situation: Die Zuschauer starren auf ein Programm, das immer blöder wird, und die Macher starren auf den Zuschauer. Das Ergebnis ist eine seltsame Lähmung. Es braucht mehr Mut, ein Format im Fernsehen zu machen, nicht weil der Zuschauer das angeblich will, sondern weil wir Macher glauben, diese Sendung braucht das Land. Von „Paris-Berlin“ glauben wir das.

„Paris - Berlin - Die Debatte: Islamismus: Schicksalsfrage für Europa?“ Arte, 23 Uhr 15

Das Interview führten Johannes Gernert und Sonja Pohlmann.

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