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Medien: „Ich will den ganzen Dreck nicht mehr sehen“

Dieter Pfaff plädiert für mehr Qualität zur Prime Time. Seine Rolle als Psychologe Bloch, sagt er, löse das ein

Herr Pfaff, Sie spielen immer wieder Menschen, die auf der Suche sind. Hat das etwas mit Ihnen selbst zu tun?

Es gab eine Situation in meinem Leben, da hatte ich das Gefühl, etwas ändern zu müssen. Die Angst davor, es nicht zu tun, war viel größer als die Angst, es zu tun. Es, das war die Schauspielerei. Mein ÜberIch hat es mir gesagt. Ich habe mich furchtbar erschrocken, aber ich wusste, es war richtig. Es ging um mein Leben. Ich muss für mein eigenes Überleben anderen Menschen Geschichten erzählen. Das ist meine Art, die Dinge, die mir begegnen, zu verarbeiten.

Spielen, um zu leben?

Als ich die erste Folge von „Sperling“ sah, habe ich gemerkt: Das bin ja ich. Nicht eins zu eins, sondern was mich als Mensch beschäftigt, was ich träume oder albträume. Wie bei einem Gemälde ist da plötzlich etwas, und du siehst es dir an wie in einem Spiegel. Und erst in dem Moment weißt du, dass etwas von dir eingeflossen ist. Etwas Schöneres kann einem Schauspieler nicht passieren. Leben und Arbeit fließen ineinander – da gibt es nichts zu trennen. Und je älter ich werde, desto weniger Lust habe ich auf Firlefanz.

„Sperling“ ist also echtes Dieter-Pfaff-Fernsehen.

Das klingt mir zu egoistisch. Film ist doch deshalb so wunderbar, weil es Teamarbeit ist. Niemand ist gut alleine. Schauspieler, die denken, sie kämen besonders gut weg, wenn die anderen schlecht sind, haben nicht begriffen, worum es geht. Das Wichtigste ist immer die Geschichte, der jeder dient. Sie muss es einem wert sein, dass man sie erzählen will. Wenn ich nicht irgendetwas finde, worauf ich neugierig bin, dann mache ich das nicht. Aber auch dabei bin ich nicht alleine.

Aber Sie haben sich auf Ihren ganz eigenen Weg begeben.

Irgendwann habe ich die Bücher von Ronald D. Laing in die Hand bekommen, ein englischer Psychologe, der Bücher wie „Phänomenologie der Erfahrung" oder „Gespräche mit meinen Kindern" geschrieben hat. Im Vorwort seines letzten Buchs sagt er, dass es unsere, also meine Generation verstanden habe, alles zu beschreiben, was nicht funktioniere. Ich sage, wir haben vergessen festzuhalten, den Menschen begehbare Wege zu zeigen. Meine Lieblingsfigur ist wahrscheinlich nicht ganz zufällig der „Truffaldino“ aus dem Stück „Diener zweier Herren“. Der kriegt immer was auf die Schnauze und macht trotzdem weiter. Das finde ich als Haltung ganz toll. Ich habe gemerkt, dass ich, egal was ich mache, imme r wieder bei solchen Figuren lande. Von dieser Kraft möchte ich erzählen. Das hat auch etwas Märchenhaftes.

Geschichten, die das Ungewöhnliche im Gewöhnlichen entdecken – ist es das?

Denken Sie an Filme wie „Brot und Tulpen" oder „Italienisch für Anfänger". Da passiert eigentlich nichts. Aber durch das genaue Hinschauen wird zu einem Wunder, was da passiert. Nicht sehr schöne Menschen werden plötzlich zu Schönheiten – in der Liebe. Ich plädiere für genau diese Art der Genauigkeit in einer sehr oberflächlich gewordenen Welt. Alles wird auf die mögliche Sensation hin untersucht. Schrecklich. Niki Lauda hat gesagt, er fahre nicht für Geld im Kreis. Geld ist nur ein Abfallprodukt. Ich liebe Fußball. Aber ich kann nicht Fan einer Aktiengesellschaft sein. Weil ich das Gefühl habe, da steht die Kohle im Mittelpunkt und nicht das Spielen, an dem ich Spaß haben kann. Es geht nicht um Geld. Ich bin neugierig auf Grenzerfahrungen. Das Erlebnis von Grenzerfahrungen mit sich selber macht süchtig.

Ohne Rettung?

Früher gab es Menschen, die die Aufgabe hatten, der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten, weiter zu denken. Philosophen, Künstler. Ich habe das Gefühl, die werden bei uns abgeschafft, weil der Wert ihrer Arbeit nicht mehr erkannt wird.

Aber es gibt doch Hoffnung. Ihre Filme erzielen beste Quoten.

Ich bin ja auch gar nicht pessimistisch. Ich weiß, dass ich nicht der Einzige bin, der diesen ganzen Dreck nicht mehr sehen will.

Sie lieben die Herausforderung, den Wechsel. Sind Sie ein ewiger Wanderer?

Irgendwann ist die Luft raus. „Bruder Esel" war nach einem Jahr fertig erzählt. Am Ende wussten sie bei RTL auch nicht mehr, was sie mit diesem Esel machen sollten. Bei „Sperling" war das anders. Nach dem ersten Film „Loch in der Wand" sagten viele, dass wir besser gleich wieder aufhören sollten, weil diese Qualität nicht zu halten sei. Da stand ich plötzlich allein mit meiner Überzeugung, dass es noch viel zu erzählen gäbe. So war es dann ja auch. Ich habe daraus gelernt, dass ich mich auf mich verlassen kann. Auf mein inneres Gefühl.

Das war nicht immer so?

Zu Anfang meiner Karriere hatte ich einen Vertrag an der Schaubühne für die Wiederaufnahme der „Märzstürme". Ich stand neben all den Schauspielern, die ich damals so bewunderte. Weil Bruno Ganz aussteigen wollte, kam der Regisseur Wolfgang Schwiedrzik auf die Idee, mich seine Monologe sprechen zu lassen. Nach einer Probe war klar, dass ich es machen sollte. Ich bin dann nach Hause, habe vierzig Fieber bekommen und mich ins Bett gelegt. Bis sie mich umbesetzt haben. Später habe ich begriffen, warum ich krank geworden bin. Ich fühlte mich komplett überfordert. Mein Körper hat auch später noch ein paar Mal ähnlich reagiert, wenn ich mich nicht auf meine Nase verlassen hatte. Ich habe schwer dafür gebüßt. Das ging bis zu einer Notoperation, ohne die ich wahrscheinlich gestorben wäre. Ich habe daraus gelernt. Zum Beispiel, dass ich nur dann gut arbeiten kann, wenn ich mich mit Geist und Körper voll geben kann. Ich glaube ohnehin, man kann meinen Beruf gar nicht anders ausüben – weil man sonst die Menschen nicht berühren kann.

Brennen oder nicht – ist das die Frage?

Fatal wäre es, die Signale, die einem zeigen, dass etwas schief läuft, zu ignorieren. Reagiere ich nicht, bringt es mich um. Carlos Castaneda hat geschrieben, es gäbe im Leben vier Dinge: die Angst, das Wissen, die Macht und das Alter. Wenn du die Angst überwindest, erlangst du Wissen. Wenn du dich selbst erkennst, erkennst du auch andere. Das gibt dir eine Macht, die mit Reife zu tun hat. Die Gefahr liegt darin, die Macht nur für sich zu verwenden. Und wer im Alter stehen bleibt, der ist schon im Leben tot. Lernen zu können, ist das Kostbarste, was es im Leben gibt. Wer sich als Lernender begreifen kann, der ist offen für das Leben. Das ist die Grundlage von allem, was ich tue.

Aber Sie reiben sich auf.

Beim ersten „Sperling" haben wir sechzehn Stunden am Tag gedreht. Mörderisch. Danach haben wir uns noch die Muster angesehen. Das Ansehen der Muster war wie ein Jungbrunnen. Man bekommt ja auch etwas zurück. Es wird schwierig, wenn nicht.

Sie sind auch noch Herr Bloch, in der ARD. Sie spielen einen Psychologen.

Die Kraft, die im Verrücktsein liegt, hat mich schon immer fasziniert. Aber ich wollte auf keinen Fall eine Fitz-Variante. Bei Lesen der ersten Drehbücher habe ich gejubelt, genauso wollte ich diesen Bloch. Nicht heil, sondern selber krank, nicht immer nur gut, manchmal sogar ein Ekel. Beim Lesen der Bücher kriege ich immer noch eine Gänsehaut.

Was bewahrt Sie bei dieser ganzen Intensität davor, den Halt zu verlieren?

Ganz sicher meine Familie. Ich habe mich immer darauf gefreut, die Windeln meiner Kinder zu wechseln. Das hat mich geerdet. Vielleicht auch mein Gewicht. Vielleicht bin ich deshalb so schwer geworden, damit ich nicht immer fliege.

Das Gespräch führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

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