zum Hauptinhalt

Im Interview: „,Bunte’? Trauen wir uns nicht“

Christoph Amend über Promi-Geschichten, Haschisch und 40 Jahre „Zeit“-Magazin

Wird in der Redaktion des „Zeit“-Magazins immer noch so viel gekifft wie zur Gründung vor 40 Jahren?

Das ist heute natürlich strengstens verboten! Im Gegensatz zu den 70er Jahren, das erzählt die langjährige „Zeit“-Magazin-Redaktionsassistentin Elke Bunse in unserer Jubiläumsausgabe. Wie anders die Zeiten heute sind, haben wir beim Start der Reihe „Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt“ gemerkt. Tabak-Gegner haben sich aufgeregt, wie man das Wort „Zigarette“ in einen Titel nehmen kann. Insofern ist es heute schon eine Provokation, wenn Kollegen in der Redaktion Tabak rauchen.

Aber soll das „Zeit“-Magazin nicht sogar selbst Einstiegsdroge sein?

Ein Einstieg auf jeden Fall, auch für jüngere Leser. Das Magazin ist durch seinen Humor, seine Opulenz, seine Fotografie leichter zugänglich. Wir beschäftigen uns zwar auch mit Themen, die Leser in der „Zeit“ finden, aber wir erzählen unsere Geschichten immer persönlich. In unserem Jubiläumsheft nimmt ein Kollege mit einem Stück Abschied vom Zivildienst. Dazu zeigen wir eine bewegende „Zeit“-Magazin-Fotoreportage von Herlinde Koelbl aus dem Jahr 1982.

Wie viele Leute lesen nur das Magazin und legen die „Zeit“ weg?

Uns schreiben immer wieder Leser, dass sie ihr „Zeit“-Wochenende am Freitagabend damit beginnen, dass sie erst einmal bei uns hereinblättern. Das Magazin ist ein integraler Bestandteil der Zeitung. Wir steuern immer wieder Titelgeschichten zur „Zeit“ bei und „Zeit“-Autoren schreiben auch im Magazin, wie etwa die Feuilletonchefs Florian Illies und Jens Jessen. So entsteht für die Leser eine intuitive Verbindung zwischen beiden Blättern.

„Zeit“-Gründer Gerd Bucerius hat das „Zeit“-Magazin 1970 gestartet, um der schwarz-weißen Zeitung ein buntes Heft beizulegen, das vor allem für Anzeigenkunden attraktiv ist. Heute hat man bei manchen Spezialausgaben zu Uhren und Mode fast das Gefühl, dass diese Magazine eher für die Werbekunden und weniger für die Leser gemacht werden.

Es gibt viele Leser, die sich – wie wir – neben Kultur, Politik und Gesellschaft für Mode und Design, Essen und Trinken interessieren, deshalb machen wir regelmäßig Hefte zu diesen Themen. Wenn in diesen Heften mehr Anzeigen geschaltet werden, freuen wir uns. Denn die Anzeigen finanzieren unser Heft mit.

Insgesamt wird Mode und Prominenten viel Platz im „Zeit“-Magazin eingeräumt, aktuell ist beispielsweise Claudia Schiffer auf dem Cover, vergangene Woche war es Gérard Depardieu. Wollen Sie „Bunte“ und „Gala“ Konkurrenz machen?

Das würden wir uns nie trauen!

Und im Ernst?

Wir wollen ebenso aufklärenden wie unterhaltenden Journalismus machen. Günter Wallraffs Undercover-Recherchen stehen neben Porträts von Schauspielern wie etwa Gérard Depardieu. Im Fall von Depardieu hat unser Frankreich-Korrespondent Gero von Randow ein Jahr lang daran gearbeitet, ihn auf seinem Weingut besuchen zu können. Diese Geduld zahlt sich aus.

Aber auch die „Zeit“ bringt als Wochenzeitung viele Reportagen und auch bunte Themen, wozu braucht sie überhaupt ein Magazin?

Ein Magazin ist ein anderes Medium, es erzeugt ein anderes Lesegefühl als eine Zeitung. Man nimmt es mit in die U-Bahn oder in die Badewanne. Das „Zeit“-Magazin ist die emotionale und persönliche Seite der „Zeit“. Der Leitartikel über Hartz IV steht in der „Zeit“, im Magazin schauen wir uns über Jahre an, wie Hartz-IV-Empfänger in Deutschland leben.

Besonders beliebt insbesondere bei jüngeren Lesern sind die Interviews mit Altbundeskanzler und „Zeit“-Herausgeber Helmut Schmidt.

Gerade für jüngere Leser ist es beeindruckend, wenn sie mitbekommen, dass da jemand gegen den Strom schwimmt und sich nicht glatt bügeln lässt.

Zum Schluss müssen Sie noch ein Geheimnis lüften: Wenn heute kein Haschisch mehr im Kühlschrank der Redaktion liegt, was dann?

Zurzeit eingelegtes Gemüse von einem jungen Koch, mit dem wir unser nächstes Genießen-Heft produziert haben. Macht süchtig. Und das ganz legal.

Das Gespräch führte Sonja Pohlmann.

Christoph Amend, 36, ist Redaktionsleiter des „Zeit“-Magazins. Er ist seit 2004 bei der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“, zuvor leitete er den „Sonntag“ im

Tagesspiegel.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false