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Im RADIO: Bräute und Orgien

Was Sie im Hörfunk nicht verpassen sollten.

Die „ready-mades“ von Marcel Duchamp waren vermutlich die revolutionärsten Kunstwerke des 20. Jahrhunderts. Duchamp stellte Alltagsgegenstände wie bedeutende Schöpfungen aus, was nicht nur die Spielregeln des Kunstbetriebs schockhaft bloßstellte, sondern auch die Routinen der menschlichen Wahrnehmung. Der Franzose Duchamp schrieb auch viel über Kunst und Leben und sammelte seine Texte in einer so genannten Grünen Schachtel. Der Radiokünstler zeitblom hat nun tief in diese Schachtel hineingegriffen und aus seinen Funden ein Hörstück komponiert. Dessen verwirrenden Titel fand er ebenfalls bei Marcel Duchamp: „Die Braut von ihren Junggesellen nackt entblößt, sogar“ (SWR 2, 16. Juli, 22 Uhr 33, Kabel UKW 107,85 MHz).

In der DDR gab es nicht nur politische Verbrechen. Es wurde auch gestohlen und geraubt, erpresst und unterschlagen, manchmal sogar gemordet. Allerdings durfte nicht groß darüber geredet werden, weil Kriminalität dem Sozialismus bekanntlich wesensfremd war. Wie man sich als Krimiautor aus der Affäre zog, kann anhand eines Hörspiels aus dem Jahr 1989 nachgehört werden. Hans Siebe erzählt in „Porzellan“ von den Direktoren zweier ostdeutscher Porzellanwerke, die entdecken müssen, dass Fälschungen ihrer kostbaren Produkte im Umlauf sind. Die Direktoren ermitteln auf eigene Faust, was bald darauf einem Menschen das Leben kostet (Deutschlandfunk, 17. Juli, 0 Uhr 05, UKW 97,7 MHz).

In den Sommerferien hat das Kulturradio viel Livemusik von den großen Festivals im Programm, die jetzt überall in Europa stattfinden. „ARD-Radiofestival“ heißt das abendliche Programmschema für die nächsten acht Wochen, das täglich mit einer langen Konzertübertragung beginnt. Zu späterer Stunde folgen Lesung, ausführliches Interview mit einem prominenten Zeitgenossen und Jazzmusik. Immer Sonntags ab 22 Uhr steht die historische Radioinszenierung eines klassischen Bühnenwerkes auf dem Plan. Den Anfang macht Schillers „Don Carlos“ aus dem Jahr 1955 (Kulturradio vom RBB, ab 17. Juli, ab 20 Uhr 05, UKW 92,4 MHz).

Seit 15 Jahren gibt es in Berlin den KitkatClub. Wer diesen verruchten Ort schon immer mal besuchen wollte, aber zu große Angst vorm Türsteher oder vor der eigenen Courage hatte, kann jetzt dank Christoph Spittlers Feature „Orgie, jede Woche“ ein bisschen Atmosphäre schnuppern. Der Autor hat das bunte Treiben im Club mit seinem Mikrofon belauscht und auch das illustre Volk der Stammgäste zum Reden gebracht. Intime Details aus einem großstädtischen Paralleluniversum, wo die Orgie zur Betriebsroutine gehört (Deutschlandfunk, 18. Juli, 20 Uhr 05, UKW 97,7 MHz).

Kannibalismus gilt in der zivilisierten Welt als strengstes Tabus. Aber jedes Verbot hat bekanntlich seine Schlupflöcher, jede Schandtat ihre treuen Anhänger. Andreas Weisers Feature „Von Menschen- und Seelenfressern“ befragt Kulturwissenschaftler und Medizinhistoriker zu Geschichte und Gegenwart des Kannibalismus. Vom Lebensbericht eines deutschen Söldners, den es im 16. Jahrhundert unter brasilianische Menschenfresser verschlug, führt der Diskurs zum medizinischen Kannibalismus im Europa der frühen Neuzeit. Von dort ist es nur ein kleiner Schritt bis zur heutigen Hightech-Medizin, in der menschliche Ersatzteile reichlich verwendet werden. Kannibalismus ist immer auch eine Frage der Definition, das Tabu ein Produkt sozialer Verabredung (Deutschlandradio Kultur, 21. Juli, 0 Uhr 05, UKW 89,6 MHz).

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