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Im Radio: Hauen und Stechen in Berlin

Tom Peuckert verrät, was man im Radio in den nächsten Tagen nicht verpassen sollte.

Kantomias lebt in Berlin-Kreuzberg, aber er ist trotzdem nicht ganz von dieser Welt. Ein Superman im Kampfanzug, der alten Leuten die Einkäufe besorgt und nebenbei die deutsche Musikkultur vor ihrer Verwurstung durch digitale Industrieschurken rettet. Ein quasselnder Traumtänzer, ein parodistischer Ausbund zeitgenössischer Comic-Fantasien. Auf wirklich eindrucksvolle Weise nutzt das Autorentrio Plamper, Kantate und Ohm den Slang der Leute, die um den Kreuzberger Mariannenplatz wohnen. Ihr Hörspiel „Kantomias rettet die Welt“ entfesselt einen multikulturellen Berliner Humor, dem kein Ohr widerstehen kann (Deutschlandradio Kultur, 29. Dezember, 21 Uhr 33, UKW 89,6 MHz).

Eigentlich ist Eddy nur ein kleiner Ganove. Er lügt und betrügt, er klaut und haut. Aber jetzt ist der berühmt-berüchtigte Berliner Immobilienspekulant Horst König bei einem Handgemenge unglücklich gestürzt und liegt tot im Hausflur. Eddy hat guten Grund, um seine persönliche Zukunft zu fürchten. Während er noch versucht, die Leiche aus der Welt zu schaffen, brodelt in Berlin schon die ganz große Gerüchteküche. Königs Verschwinden hat einen politischen Hintergrund, da sind sich alle Beobachter einig. Im Kriminalhörspiel „Der heilige Eddy“ von Jakob Arjounis stoßen bescheidenes Sein und mächtiger Schein amüsant zusammen (Deutschlandradio Kultur, 31. Dezember, 19 Uhr 05).

Vor fast 60 Jahren wurde eine Radiosendung in Deutschland zum Tagesgespräch. Das Hörspiel „Träume“ von Günter Eich war ein Glücksfall der Rundfunkgeschichte, der noch heute altgedienten Redakteuren das Leuchten in die Augen treibt. Wenige Jahre nach dem Krieg erzählte Eich mit suggestiver Poesie ein halbes Dutzend Albträume. Eine Familie reist in einem verschlossenen Güterwaggon durch eine vergessene Welt, Kinder werden für Greise geopfert, Aliens in Termitengestalt fressen Menschen von innen her auf. Deutsche Nachtvisionen, über die sonst im Land betäubt geschwiegen wurde. Nun aber gelang es einem Künstler, das kollektive Unbewusste bis aufs Blut zu reizen (SWR 2, 1. Januar, 18 Uhr 20, Kabel UKW 107,85 MHz).

Kurz vor seinem Tod im Jahr 1903 hat Paul Gauguin einen autobiografischen Roman veröffentlicht. In „Noa Noa“ beschreibt er seine Jahre in der Südsee. Der Maler kam nach Polynesien, weil er die europäische Kultur nicht mehr ertragen wollte. Er liebte das einfache, gegenwartsfixierte Leben der Eingeborenen und besonders liebte er die Frauen auf den Inseln. Welch beeindruckende Folgen das für seine Malerei hatte, weiß die Kunstgeschichte. Aber Gauguin hat auch sehr plastische Worte für seine Erlebnisse und Erfahrungen gefunden, die nun in einer schönen Radioadaption des Romans nachgehört werden können (Deutschlandradio Kultur, 1. Januar, 18 Uhr 30).

Wer sich weit in den Berliner Osten wagt, der kommt irgendwann auch nach Friedrichshagen. Der Müggelsee glänzt durch hohe Kastanien, die Luft ist frisch, manche Straße wirkt ausgesprochen malerisch. Schon vor mehr als hundert Jahren hat Berlins Bohème die Reize dieses Vororts entdeckt. In seinem Feature „Der Friedrichshagener Dichterkreis“ erzählt Ralph Gerstenberg über die wilden Zeiten in der Vorstadt. Friedrichshagen als Brutstätte der literarischen Moderne in Deutschland. Aber auch als Ort versponnener Exzentrik, romantischem Weltverbesserertums, bacchantischer Geselligkeit. So richtig ist Friedrichshagen nie aus der Mode gekommen. „Es herrscht hier“, schrieb der Dichter Johannes Bobrowski in den sechziger Jahren, „eine schöne Toleranz gegenüber dicken und bärtigen Männern, welche ein bisschen lärmen“ (Kulturradio vom RBB, 2. Januar, 14 Uhr 04, UKW 92,4 MHz).

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