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Im Radio: Kolonien und Kolumbien

Tom Peuckert verrät, was Sie nicht verpassen sollten

Vielleicht ist es Franz Kafkas berühmteste Erzählung. Ein Reisender kommt in eine Strafkolonie und erlebt dort die Hinrichtung eines Delinquenten durch eine monströse Maschine. Eine Art Egge, schreibt Kafka, die den Schuldspruch in die Haut des Verurteilten tätowiert und ihn dadurch langsam zu Tode bringt. Vom anwesenden Hinrichtungsbürokraten wird sie als organisatorische Meisterleistung eines humanen Strafvollzugs angepriesen. Wer müsste da nicht an die ausgeklügelten Giftmaschinen denken, die heute in amerikanischen Todeszellen stehen. Kafkas schrecklich wunderbare Erzählung „In der Strafkolonie“ kann nun in einer schönen Radiofassung nachgehört werden. Mit Bruno Ganz in der Rolle des humanistisch beseelten Henkers (Kulturradio vom RBB, 5. Dezember, 22 Uhr 04, UKW 92,4 MHz).

Auch Philip K. Dicks Science-Fiction-Hörspiel „Die Kolonie“ entführt in ungemütliche Sphären. Ein Team von Wissenschaftlern und Militärs untersucht einen neu entdeckten Planeten, der sich für eine Kolonisation offenbar sehr gut eignet. Er besitzt üppige Vegetation und keine feindlichen Lebensformen. Dann aber häufen sich merkwürdige Vorfälle, die ersten Kolonisten sterben. Das Paradies zeigt seine unheimlichen Seiten. Kultautor Dick hat die Vorlagen für „Blade Runner“ und „Minority Report“ geschrieben, die zeitgenössische SF-Literatur verdankt ihm kühne Formexperimente. Auch in diesem Hörspiel verschwimmt irgendwann der narrative Erzählfluss in Strudeln aus Panik und Paranoia (Deutschlandfunk, 6. Dezember, 0 Uhr 05, UKW 97,7 MHz).

Der französische Komponist Olivier Messiaen hat das Transzendente und das Irdische gleichermaßen in große Musik gefasst: die biblische Offenbarung und die Stimmen der Vögel. Wer eines seiner gewaltig besetzten Orchesterwerke live erlebt, kann davon süchtig werden. Für alle Fans gibt es nun einen Messiaen-Themenabend zum 100. Geburtstag des Meisters. Unter dem Titel „Klänge für die Ewigkeit“ werden historische Aufnahmen seiner Werke zu hören sein, Musikexperten referieren und diskutieren, in alten Interviews und Radiogesprächen kommt der Komponist selber zu Wort (Deutschlandradio Kultur, 6. Dezember, ab 19 Uhr 05, UKW 89,6 MHz).

Angeblich haben deutsche Gymnasiasten früher ihren Homer mit Begeisterung gelesen. Doch irgendwann ist Staub auf die gut 15 000 griechischen Langverse gerieselt, vom alten Homer war zuletzt selten die Rede. Aber nun kommt eine taufrische „Ilias“ ins Radio. Der österreichische Schriftsteller Raoul Schrott hat die Legende sanft und trotzdem entschieden modernisiert. Regisseur Klaus Buhlert macht daraus eine kunstvolle Radioerzählung. Menschenhass und Götterzorn, Kriegsgeschrei und Wehklage wirken noch einmal faszinierend nah und lebendig (Deutschlandfunk, 6. Dezember, 20 Uhr 05, UKW).

Seit fünfzig Jahren gibt es Bürgerkrieg in Kolumbien, ein Ende ist nicht absehbar. Eine halbe Million Tote, ein Vielfaches an Vertriebenen, dazu die spektakulären Entführungen, die auch europäische Nachrichtenzentralen erreichen. Autorin Sibylle Tamin ist nach Kolumbien gefahren. Ihr Feature „Um Gottes willen, Kolumbien“ erzählt von einer Reise durch die Extreme. Einerseits anmutig wilde Landschaft, die europäische Besucher zum Träumen bringt. Andererseits riesige Slums in den Metropolen, die unsere Vorstellungskräfte sprengen. Die Reisende findet ein Land voller Gewalt, Feindseligkeit und Misstrauen. Aber sie trifft auch auf Menschen, deren Gastfreundschaft und Lebenslust alle düsteren Erlebnisse überstrahlen (Kulturradio vom RBB, 7. Dezember, 14 Uhr 04).

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