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Medien: Im Radio: Novalis und Ravel

Haben Sie schon mal über das Wesen des Wartens nachgedacht? Scheinbar haben wir es nur mit einem lästigen Alltagsübel zu tun.

Haben Sie schon mal über das Wesen des Wartens nachgedacht? Scheinbar haben wir es nur mit einem lästigen Alltagsübel zu tun. Mit einer Lücke im Komfort, einem Riss in der Freiheit. Demokratie und moderner Kapitalismus legitimieren sich geradezu durch die Verringerung von Wartezeiten: schnellerer Zugriff auf die Ware, kurzer Prozess in den Verwaltungen, beschleunigte Fahrt auf allen Wegen. Aber auf die wirklich wichtigen Dinge müssen wir unser ganzes Leben lang warten: auf eine Liebe, die uns zufällt, auf den Moment der Genesung von einer langen Krankheit, auf die glückliche Stunde, in der sich Probleme mit leichter Hand lösen lassen. Auf das, was die Antike kairos nannte, den günstigen Augenblick, der sich nicht herbeizwingen lässt. Im Radio-Essay "Godot kommt gleich" sinnt Andreas Main all diesen Aspekten des Wartens nach. Der Titel seiner kleinen, schlauen Phänomenologie des Wartens ist eine Anspielung auf Becketts legendäres Drama, das bekanntlich mit den theologischen Abgründen des Wartens seinen Scherz treibt. Das christliche Abendland wartete zwei Jahrtausende auf einen Erlöser. Weil die Wartefrist nicht enden wollte, kam man auf die Idee, sich von so üblen Leuten wie Stalin und Hitler erlösen zu lassen. Grund genug, dem geduldigen Warten ein Loblied zu singen (Deutschlandfunk, Sonntag, 20 Uhr 05, UKW 97,7 MHz).

"In dieser Zeitlichkeit wird nie / der heiße Durst gestillt", schreibt Novalis in seinen "Hymnen an die Nacht". Auch das ist keine frohe Botschaft für Drängler und Raser. Novalis starb vor genau zweihundert Jahren, und deshalb widmet ihm das Deutschlandradio eine Gedenksendung. "Blütenstaub Untertage" heißt ein schönes Feature von Sandra Kerschbaumer, das von den zwei Gesichtern des Romantikers erzählt. Einerseits war Novalis Liebhaber "blauer Blumen", andererseits Ingenieur in den kursächsischen Salzbergwerken. War letzteres nur bürgerlicher Brotberuf, oder handelt es sich um die gelebte Ganzheit, von der romantische Idealisten immer träumten? (Deutschlandradio, Dienstag, 19 Uhr 05, UKW 89,6 MHz).

Noch einmal sei die charmante "Musikstunde" im Südwestradio empfohlen. Montag bis Freitag kommender Woche gibt es ein musikalisches Frühstück mit Maurice Ravel. "Ravel enträtseln" nennt Autorin Katharina Eickhoff ihre Reihe. Wer war Ravel? Ein Ironiker, der Musik aus Spieldosen nachahmte? Ein Träumer auf der Suche nach der verlorenen Kindheit? Ein Existentialist, der um die Nähe von Komik und Schrecken wusste? Von allem etwas, lautet die Antwort. Das ist ja das Rätsel an Ravel (SWR 2, wochentags 9 Uhr, Kabel UKW 107,85 Mhz).

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